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Top-Bewerber gewinnen: Wie Sie die Touchpoints im Recruiting-Prozess meistern

Veröffentlicht am 15. Juni 2014
Geschrieben von Anne M. Schüller

Unternehmen können die Zukunft nur dann erreichen, wenn sie die volle Schaffenskraft der besten Talente für sich gewinnen. Denn der Markt ist gnadenlos. Und die Topbewerber kennen kein Pardon. Der Recruiting-Prozess muss also an jedem Interaktionspunkt im „Moment der Wahrheit" wie am Schnürchen laufen. Wenn es auch nur an einer Stelle klemmt, dann kann das heute schon das Aus bedeuten.

Noch vor wenigen Jahren war das Suchen und Finden guter Bewerber vergleichsweise leicht. Hierzu waren kaum mehr als ein halbes Dutzend Kontaktpunkte nötig. Diese wurden praktisch alle vom Unternehmen gesteuert. Wer nicht genügend Kandidaten zusammen bekam, schaltete einfach weitere Stellenanzeigen. „Post & Pray" nannte man dieses Prinzip.

Die Bewerber traten als Bittsteller auf – und kauften die Katze im Sack. Oft wurden sie mit vollmundigen Versprechen geködert, die wie Seifenblasen platzten, nachdem die Probezeit vorüber war. Ein Vorab-Blick hinter die Kulissen war nur dann möglich, wenn es im eigenen Umfeld jemanden gab, der ehrlich Rede und Antwort stand.

Der wahre Startpunkt für eine Mitarbeiterbeziehung
Heute müssen die Unternehmen ganz anders agieren, vor allem dann, wenn sie Top-Kandidaten, High-Potentials und ausgesuchte Fachkräfte gewinnen wollen. Denn nicht die Firmenwebsite und deren Karriereteil, sondern das Eingabefeld der Suchmaschinen ist zunehmend der Startpunkt für eine potenzielle Mitarbeiterbeziehung – und oftmals gleichzeitig das Ende. Dabei spielen die indirekten Berührungspunkte wie zum Beispiel Meinungsportale, User-Foren, Blogbeiträge, Mundpropaganda und Weiterempfehlungen eine zunehmend wichtige Rolle.

Diese werden auch als „Earned Touchpoints" bezeichnet, denn man kann sie sich nicht wie eine Stellenanzeige kaufen, man muss sie sich stattdessen verdienen. Und nur loyale, begeisterte Fan-Mitarbeiter werden die frohe Botschaft ganz sicher nach draußen tragen. Organisationen sollten also viel mehr dafür tun, dass es drinnen bei ihnen in punkto Mitarbeiterführung und Unternehmenskultur stimmt. Manche Firmen werden schon bald allein deswegen zumachen müssen, weil es keine qualifizierten Mitarbeiter mehr gibt, die für sie arbeiten wollen.

 

 

Die Zahl der Touchpoints im Recruiting-Prozess steigt
Die Macht hat sich von der Anbieter- auf die Nachfrageseite verlagert, zumindest da, wo es um Top-Talente geht. Ganze Branchen befinden sich in einem Arbeitgeber-Attraktivitätswettbewerb. Deshalb müssen Personaler das Verkaufen lernen. Dabei sind die Ressourcen, die für das effiziente Suchen, Finden und Gewinnen passender Bewerber in den Markt geworfen werden, schon ganz enorm. Eine Fülle direkter Recruiting-Touchpoints ist so entstanden:

  • die eigene multimediale HR-Website
  • Präsenzen auf den verschiedenen Jobbörsen im Webein eigenes Karriere-Blog
  • eine Facebook-Karriereseite
  • Recruiter-Profile auf Xing und LinkedIn
  • Aktivitäten auf Twitter, Google+, Foursquare, Pinterest & Co.
  • Aktivitäten in Recruitingforen und Karrieregruppen
  • Videos auf YouTube & Co., Audio-Podcasts, Fotostrecken
  • Profile auf Kununu und weiteren Bewertungsportalen
  • Mobile Recruiting, QR-Codes, Apps
  • Recruiting-Events im eigenen Haus, an Schulen und Unis
  • Präsenzen auf Jobmessen, Web-Karrieremessen, Branchentreffen
  • Projektbörsen, Karrierenetzwerke, Career Clubs
  • Mitarbeiter- und Employer Branding-Broschüren
  • klassische Stellenanzeigen, Plakate, Radio- und Kinowerbung
  • Guerilla-Recruiting, Ambient-Media

 

Hinzu gesellen sich eine Menge weiterer Interaktionspunkte: 

  • Personalberater, Arbeitsagenturen, Executive Searcher
  • Data-basierte Reputationsdienste
  • Mitarbeiterempfehlungsprogramme
  • Initiativbewerber-Pool
  • Talentpools, Talent Cloud, Talent Relationship Management
  • Active Sourcing (proaktive Suche nach Kandidaten im Web)
  • Referenz- und Onlineprofil-Checks
  • biografische Online-Fragebögen, Lebenslauf-Datenbanken
  • Vorstellungsgespräche, Telefoninterviews, Videointerviews
  • Eignungstests, Persönlichkeitstests, Diagnostik-Tools
  • Planspiele, Assessment-Center, Job-Castings, Recruiting-Games
  • Schnuppertag, Probearbeiten, Arbeitsproben
  • Praktikanten- und Werkstudentenverträge, Trainee-Programme
  • Ehemaligen-Programme, Alumni-Klubs
  • Betreuung von Diplom-, Bachelor- und Masterarbeiten
  • Presseberichte, redaktionelle Beiträge, Fachbeiträge in Blogs
  • Arbeitgeber-Zertifizierungen
  • Arbeitgeber-Rankings und HR-Awards

In vielen Unternehmen kommen bei genauem Nachzählen allein für das Recruiting inzwischen weit über fünfzig Kontaktpunkte zusammen.

Die effizientesten Recruiting-Touchpoints finden und optimieren
Meist ist es ein Mix aus mehreren Touchpoints, der für eine Bewerbung schließlich den Ausschlag gibt. Eine Eins-zu-eins-Messung, die zeigt, welcher Touchpoint am Ende der entscheidende war, ist schon allein aus diesem Grund gar nicht möglich. Am ehesten kommt man dem näher, wenn man den Kandidaten folgende Frage stellt:

Wie sind Sie eigentlich ursprünglich auf uns aufmerksam geworden?

Vielen wird erst bei einer systematischen Auswertung der eingehenden Antworten richtig klar, welches Ausmaß Mundpropaganda und Weiterempfehlungen bereits haben.

Die Recruiting-Touchpoints, die ein Unternehmen selbst gestaltet, lassen sich mithilfe der Bewerber ganz einfach über folgende Fragen optimieren:

  • Was hat Ihnen an diesem Punkt am besten gefallen?
  • Welchen Punkt sollten wir schleunigst verbessern?

Zu einer solchen Fremdanalyse gesellt sich immer auch die Eigenanalyse. Hierzu schlage ich diese Methode vor: das Begeisterungsmanagement im Recruitingprozess.

 

 

Das Begeisterungsmanagement im Recruitingprozess
Hierbei wird jede Interaktion zwischen Bewerber und Personalverantwortlichen auf ihre Enttäuschungs-, Okay- und Begeisterungsfaktoren hin analysiert. Diese Methode habe ich in Anlehnung an das Kano-Modell von Noriaki Kano, Professor an der Universität Tokio, für die Personalarbeit und den Mitarbeiterbereich weiterentwickelt. Dazu wird aus Sicht eines Bewerbers sondiert, was dieser erwartet und im Vergleich dazu erhält. Die Ergebnisse schwanken zwischen herber Enttäuschung und hemmungsloser Begeisterung.

Am besten zeichnet man die „Reise" eines Bewerbers durch den kompletten Bewerbungsprozess nach. Die entsprechenden Touchpoints - also die Kontaktpunkte zwischen Unternehmen und Kandidaten - können dabei in einem Schaubild eingetragen werden:

Dann bewertet man die einzelnen Punkte im Positiven beziehungsweise Negativen jeweils von null (trifft gar nicht zu) bis zehn (trifft voll und ganz zu). Selbstüberschätzung ist dabei eine große Gefahr. Um dieser Falle zu entgehen, bietet sich eine Selbstbild–Fremdbild–Analyse an. Dazu kann ein Teil der Bewertungen direkt von den Bewerbern beziehungsweise von frisch eingestellten Mitarbeitern kommen.

Das Buch

    

Anne M. Schüller:
Das Touchpoint-Unternehmen
Mitarbeiterführung in unserer neuen Businesswelt
Gabal, März 2014, 368 S., 29,90 Euro
ISBN: 978-3-86936-550-3
www.touchpoint-management.de

 

Die Autorin

AMSchüller  

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, zehnfache Buch- und Bestsellerautorin und Consultant. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als Europas führende Expertin für Loyalitätsmarketing und ein kundenfokussiertes Management. Sie zählt zu den gefragtesten Business-Referenten im deutschsprachigen Raum. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft. www.anneschueller.com

 

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