Darf es noch ein bisschen Mensch sein?
Über die Fähigkeit, mit der Schnelligkeit der Digitalisierung klarzukommen
Die Situation, in der wir uns gerade befinden, mit all diesen rasend schnellen Entwicklungen, konfrontiert uns mit vollkommen neuen Herausforderungen, denn noch niemals in der Geschichte der Industrialisierung haben sich die Dinge so schnell verändert wie in den letzten ungefähr 20 Jahren. Manches war überfällig, vieles sehr sinnvoll und zielführend, andere Dinge aber auch unnötig, keinen Spaß bringend und aus der Euphorie geboren, wie zum Beispiel die Toilettenhalterung für Ihren iPod mit integrierter Toilettenpapier-Vorrichtung. Gut, ich gestehe, das zu lesen alleine macht schon Spaß.
So wird es höchstwahrscheinlich bei der weiteren Digitalisierung so geschehen wie bei dem Weihnachtsgeschenk, das wir uns als Kind so sehnlich gewünscht haben: erst wird Tage und Nächte lang damit gespielt, dann liegt es nutzlos in der Ecke herum. Es wird sich zeigen, welcher Fortschritt sich als nützlich und wirklich fortschrittlich erweist – nur eines steht fest: Das Entwicklungstempo wird erst einmal nicht nachlassen. Und das bedeutet für Sie, für mich und uns alle, dass wir uns einmal mit dem Druck beschäftigen müssen, den dieser Zwang zur Schnelligkeit mit sich bringt.
Die Veränderung annehmen
Die heute 15- bis 20-Jährigen haben es richtig gut, die wachsen damit auf, das geht ganz automatisch in Fleisch und Blut über, „mal eben“ was zu googeln oder neben dem iPad auch noch auf den PC-Bildschirm zu schauen, um eine Mail zu schreiben oder einen Film herunterzuladen. Oder die kommende Generation der Außendienstverkäufer, die höchstwahrscheinlich grinsen wird, wenn man ihnen erzählt, dass wir früher mit dicken Katalogen (was ist das?) zu unseren Kunden reingegangen sind. Oder dass im Einzelhandel Preisetiketten noch mit der Hand aufgeklebt wurden, oder, oder, oder. Die Generation 50 plus hingegen muss sich viele Dinge mühsam erarbeiten und hat in vielen Bereichen erst gar keine Wahl, ob es ihr gefällt oder nicht: Es gibt kein „ganz normales“ Handy mehr, mit dem man nur telefonieren kann, was die ganze Sache ungemein vereinfachen würde. Und wer erinnert sich dann noch an dieses Ding mit der Wählscheibe, dass man früher Telefon nannte?
1963 hatten nur 14 Prozent der bundesdeutschen Haushalte überhaupt einen Telefonanschluss (Quelle: www.zeitklicks.de), der Rest ging regelmäßig in eine Telefonzelle, um zu telefonieren! Als im Jahre 1977 das erste sogenannte Tastentelefon in Deutschland auf den Markt kam (es hatte die sperrige Bezeichnung FeTap 751: Fernsprechtischapparat), wurde es natürlich als hochmoderne Art der Kommunikation gefeiert. Blöd für die Post und den Hersteller Siemens war nur, dass die Kunden vehement nach der guten alten Wählscheibe verlangt haben, sodass sich die Tastenvariante erst fünf Jahre später langsam auf dem Markt durchsetzen konnte. Nach heutigen Maßstäben unvorstellbar, aber wir können hieraus etwas lernen: Der Mensch braucht Zeit für die Veränderung, und je drastischer diese Veränderung ist, umso schwerer fällt die Umstellung auf eine neue Situation. Und da heutzutage kein Mobiltelefon-Hersteller mehr auf die Kunden hört, die sich das alte Nokia 3210 zurückwünschen, werden wir eben alle vor vollendete Tatsachen gestellt. Wie schon geschrieben: manches sinnvoll, manches eben weniger sinnvoll. Die Situation ist nun einmal, wie sie ist, ob es mir und Ihnen nun gefällt oder nicht. Daher lautet der wichtigste Satz, den ich Ihnen ans Herz lege, wenn Sie mit diesem Digitalisierungs-Druck klarkommen wollen:
Sie müssen bereit sein, die Veränderung aktiv anzunehmen.
Nur, wer die veränderte Situation annimmt, hat überhaupt eine Chance, sie nicht als unangenehmen Druck, sondern als Herausforderung anzunehmen. Wer sich hingegen mit aller Macht dagegen sträubt, hat leider so gut wie gar keine Möglichkeit auch nur einen Schritt weiterzukommen, da er sich selbst blockiert, und überdies sehr viel innere Energie dafür aufwenden muss.
Schritt für Schritt die Kompetenz erhöhen
Es gibt auf dem Weiterbildungsmarkt so viele Möglichkeiten, sein Wissen Schritt für Schritt zu erhöhen und dem Puls der Zeit anzupassen, dass es mit ein bisschen Eigeninitiative leicht machbar ist, sich eine Sicherheit im Umgang mit den digitalen Medien und Geräten selbstständig zu erarbeiten. Natürlich sind im Arbeitsbereich auch und gerade die Unternehmen gefragt, Ihre Mitarbeiter auf den neuesten Stand zu bringen, allerdings können auch Sie selbst dazu beitragen, Ihre Kompetenz zu erhöhen: Da gibt es zum einen natürlich die klassischen Seminare, zum anderen aber auch die Webinare als Online-Variante, an denen Sie zum Teil auch noch kostenlos teilnehmen können. Oder folgen Sie auf Facebook doch einfach mal den richtigen Menschen, die regelmäßig zu allen möglichen Themen aus diesen oder ähnlichen Bereichen Tipps geben. J
Eine weitere einfache Weiterbildungsmöglichkeit ist, sich einmal mit jüngeren Menschen auszutauschen: Wie empfinden die das? Wie machen die das? Wie geht das? Und dann:
Einfach mal TUN!
Die alte Floskel „Probieren geht über Studieren“ greift auch hier. Legen Sie einfach mal los, probieren Sie die neuen technischen Geräte und Möglichkeiten unbefangen und furchtlos aus. Sorgen Sie dafür, dass Ihnen im Notfall jemand, der kompetent ist, zur Seite steht, dann dürfen Sie auch ruhig Fehler machen. Das beruhigt enorm.
Ein Tipp für die jüngere Generation, für die das alles selbstverständlich und natürlich erscheint: Auch Sie können davon profitieren, wenn Sie sich einmal mit älteren Semestern über Dinge wie etwa Datenschutz, Multi-Tasking und Privatsphäre unterhalten und deren Bedenken zu diesen Themen für sich hinterfragen. Häufig liegt nämlich die Wahrheit in der goldenen Mitte. In dem Fall ist dies der sinnvolle und angemessene Umgang mit den digitalen Medien.
Entschleunigen ist Quatsch!
Eines der Modewörter unserer Zeit ist „entschleunigen“. Es bedeutet wohl, dass wir alle die permanente Beschleunigung regelmäßig – manche Kritiker der Digitalisierung meinen damit dauerhaft – unterbrechen sollten. Meine Meinung ist:
Wir müssen nicht entschleunigen.
Die Herausforderung für uns alle wird sein, die Geschwindigkeit anzunehmen, mit ihr innerlich klarzukommen und uns unsere Oasen des Durchatmens zu suchen. Gönnen Sie sich regelmäßig im Privatleben den Luxus, offline zu gehen: Lassen Sie den PC mal ein bis zwei Tage aus, stellen Sie Ihre Smartphone auf „lautlos“ und nutzen Sie Ihr Tablet, wenn überhaupt, nur dazu, um einen Film herunterzuladen. Sie wissen selbst, wie gut das Ihren Augen und auch Ihren Nerven tut, eine Zeit lang nicht für jeden und jederzeit erreichbar zu sein.
WhatsApp zum Beispiel ist auch so ein Stress-Terrorist, vielleicht haben Sie das ebenfalls schon einmal erlebt: Sie bekommen eine Nachricht von einem Freund oder einer Freundin, lesen sie und beantworten sie nicht gleich, Sie werden Ihre Gründe haben. Manchmal kann man eben nur lesen und nicht schreiben. Haben Sie dann auch schon einmal den dezent vorwurfsvollen Hinweis bekommen, dass Sie die Nachricht gelesen hätten, danach ein paar Mal wieder online gewesen wären, aber nicht geantwortet hätten? Das kann wirklich nerven. Und wenn es Sie sogar stresst, dann sollten Sie in die Einstellungen dieser App gehen und die Funktion „zuletzt online“ unter „Account/Datenschutz“ ausschalten. Punkt.
Belohnen Sie sich selbst
Viele Menschen leiden regelrecht unter dem Druck, den Sie sich selbst innerlich aufbauen. Vergessen Sie das bitte ganz schnell! Nehmen Sie zehn Prozent Ihres Eigendrucks vom Kessel und belohnen Sie sich auch und vor allem für die kleinen Erfolge:
Werfen Sie die innere „Schulterklopf-Maschine“ an und sagten Sie sich selbst: „Das hast du gut gemacht!“
Und dann geht es weiter, Schritt für Schritt. Nehmen Sie die Digitalisierung auch für sich selbst als das wahr, was es ist: als einen Prozess. Und ein Prozess ist nichts, was von heute auf morgen ein fertiges Ergebnis liefert, sondern es ist ein Weg, der regelmäßig Zwischenergebnisse mit sich bringt, wie lang auch immer dieser Weg sein mag. Seien Sie sich selbst etwas wert und befreien Sie sich von der Selbstkasteiung, etwas sofort, hier und jetzt und immer und zu jeder Zeit können zu müssen, denn dafür ist das Ganze viel zu komplex.
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Über den Autor
Lars Schäfer ist Speaker und Trainer und gilt als führender Experte zum Thema "Emotionales Verkaufen". Nach Ausbildungen zum Industrie-Kaufmann und Fachkaufmann Marketing war er 15 Jahre erfolgreich im Innen- und Außendienst tätig. Seit 2004 ist er selbständiger Verkaufstrainer und gefragter Redner mit den Spezialthemen "Emotionales Verkaufen" und „Vertrauen im Verkauf“. Er bietet Verkaufstrainings für den Außendienst, Shopmitarbeiter und Vertriebsingenieure. Seine Trainings zeichnen sich durch einen ausgeprägten Motivationsfaktor, Humor und hohe Praxisorientierung aus. Seine unterhaltsamen und lehrreichen Vorträge überzeugen durch ihre Authentizität und Emotionalität. Sein erstes Buch „Emotionales Verkaufen – Was Ihre Kunden WIRKLICH wollen“ erschien im Februar 2012. Lars Schäfer ist Mitglied der German Speakers Association - GSA. |
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