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Wie viele Unternehmen haben eine Strategie?

Veröffentlicht am 08. November 2017
Geschrieben von Dagmar Recklies

Wenn auf die Frage nach der Unternehmensstrategie Gelächter folgt

Vor einigen Jahren verbrachte ich einen Teil meiner Wochenenden in einer Fortbildung. In einer dieser Vorlesungen ging es um Exitstrategien von Investoren. Der Referent war gut. Er schaffte es, uns an einem wunderschönen sommerlichen Samstagnachmittag wach zu halten. Dann fragte er uns:

„Wie viele von Ihnen arbeiten in einem Unternehmen das eine Strategie hat?“

 

Die Antwort war Gelächter. Niemand hob die Hand.

Ist das nicht enttäuschend?

Unser Referent war nicht sonderlich erstaunt über diese Reaktion. Er erklärte uns, dass nach seiner Beobachtung über 98 % aller Unternehmen keine echte Strategie haben.

Wir reden hier von echten Strategien, nicht von den sorgsam formulierten Statements in Geschäftsberichten. In der Wirtschaftswelt wird heute erwartet, dass Unternehmen Strategien haben. Teilweise ist das sogar gesetzlich vorgeschrieben, z.B. im Bankensektor.

Dennoch, Aussagen wie „Vertiefung unserer globalen Ausrichtung“, „Ausbau unserer besonderen Fähigkeiten auf dem Gebiet X“ oder das beliebte „Herausragenden Kundenservice bieten“ sind keine Strategien. Das sind bestenfalls sehr allgemeine Beschreibungen dessen, was ein Unternehmen für wichtig hält.

Nach meiner persönlichen Beobachtung fallen die meisten dieser Möchtegern-Strategien in eine oder mehrere der folgenden Problem-Kategorien:

  • Sie sind zu allgemein.
    „Ein digitales Unternehmen werden“ oder „Den asiatischen Markt durchdringen“ muss konkretisiert werden. Niemand kann daraus ableiten, was er uns sein Team nun für Prioritäten setzen sollen. Solche „Strategien“ sind eher ein Einfallstor für eine Flut von unzusammenhängenden oder gar miteinander in Konflikt stehenden Einzelmaßnahmen, von denen vielleicht nur die Hälfte zu vernünftigen Ergebnissen führt.

  • Sie sind zu „micro-level“.
    Dieses Phänomen tritt stärker in internen Strategieunterlagen auf. Unternehmenseinheiten sollen Strategien vorschlagen und kommen dabei auf eine Art Wunschliste mit Positionen wie „in modernere Produktionsanlagen investieren“ oder „zwei zusätzliche Vertriebsingenieure einstellen“.

  • Sie sind zu kurzfristig.
    Die extreme und häufig beschriebene Dynamik unserer Zeit wird gern als Entschuldigung genommen, Strategien ständig anzupassen. Irgendetwas Neues passiert – Oh, wir brauchen eine neue Strategie. Das entbindet die Unternehmen von einer weit schwierigeren Aufgabe: Strategien zu entwickeln, die sie durch alle möglichen erwartbaren und unerwartbaren Veränderungen in die gewünschte Zukunft führen.

Um fair zu sein muss man allerdings anerkennen, dass viele Unternehmen auch ohne klare und konkrete Strategien ziemlich erfolgreich sein können. Für sie ist es ausreichend, eine klare Vorstellung davon zu haben, was sie langfristig erreichen wollen.

Solche Visionen können Dinge sein wie Unabhängigkeit von externen Geldgebern und Großinvestoren, einen nachhaltigen Einkommensstrom für die Eigentümer erzeugen, oder zusätzliche Leistungen rund um eine konkrete Kernkompetenz zu entwickeln. Damit hat das Unternehmen dann eine Art Leitplanke, an der es alle Optionen, Investitionen und Aktivitäten ausrichten kann.

Diese Minimal-Strategie wird nicht für alle Unternehmen funktionieren. Aber sie kann funktionieren und sie ist allemal besser als ein schwammiger Text der aus dem Marketingprospekt stammen könnt oder als gar keine Strategie.

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