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Stakeholder-Management - Wie geht man mit den einzelnen Gruppen um

Veröffentlicht am 30. September 2019
Geschrieben von Dagmar Recklies

Auch Öffentlichkeit und Presse gehören zu den Stakeholdern eines Unternehmens

Wer soll die Kontrolle über das Unternehmen haben? Wie? Und um welche Ziele zu erreichen?

Ursprünglich hatten die Eigentümer die Kontrolle über das Unternehmen – entweder durch Kontrolle des Management oder durch direkte Ausübung des Managements – und verfolgten wirtschaftliche Ziele. Als die Aktienkultur aufkam, wurde die Rolle des einzelnen Eigentümers geschwächt. Als dann die Unternehmen zu immer größeren Organisationen wuchsen, bekamen ihre wirtschaftlichen Aktivitäten zunehmend soziale Konsequenzen. Die riesige, in breit gestreutem Eigentum befindliche Unternehmung kam zunehmend unter die Kontrolle des Managements. Gleichzeitig entstand das Konzept der sozialen Verantwortung – der freiwilligen Beachtung öffentlicher sozialer Ziele neben den eigentlichen wirtschaftlichen Zielen – als Legitimationsbasis für das Handeln des Managements

Henry Mintzberg in The Strategy Process: Concepts, Contexts, Cases

Stakeholder-Management - Bedeutung und Begriffsbestimmung

Die Teilnehmer am Wirtschaftsleben stehen heute im Interesse und unter dem Einfluss verschiedener Personen und Gruppierungen. Insbesondere größere Unternehmen müssen zunehmend nicht nur die Bedürfnisse der direkten Eigentümer berücksichtigen, sondern u.U. auch der Arbeitnehmervertreter, öffentlicher Interessengruppen, strategischer Partner, Kontrollgremien (z.B. Aufsichtsbehörden) oder Journalisten. Die Aufzählung ließe sich je nach Einzelfall noch erweitern. Damit agieren die Unternehmen in einem komplexen System von Interessen und Einflussmöglichkeiten, die in ihrer Bedeutung und möglichen Wirkung abgewogen und mit den Unternehmenszielen in Einklang gebracht werden müssen.

Solche Personen oder Gruppen, von denen die Unternehmung in ihrer Entwicklung abhängt, und die bei der Erreichung ihrer Ziel ihrerseits in unterschiedlichem Umfang von der Unternehmung abhängen, werden als Stakeholder bezeichnet. Der Begriff Stakeholder darf hier nicht verwechselt werden mit dem manchmal fälschlicherweise synonym verwendeten Begriff Shareholder. Shareholder - also Anteilseigner - sind immer auch Stakeholder. Jedoch sind nicht alle Stakeholder auch Shareholder. (Details zur Unterscheidung zwischen den beiden Begriffen siehe dieser Beitrag auf www.aktien.net)

Bei weitreichenden unternehmerischen Entscheidungen ist es erforderlich, die Erwartungen der unterschiedlichen Stakeholder zu erkennen und zu bestimmen, inwieweit sie einen aktiven Einfluss auf das Unternehmen ausüben können bzw. werden.

Die Bedeutung des Stakeholdermanagements erstreckt sich demzufolge nicht auf das Tagesgeschäft, sondern vorrangig auf weitreichende strategische Entscheidungen. Dies betrifft Unternehmensentwicklungen, die zumindest die Interessen einzelner Stakeholder oder Gruppen berühren.

Identifikation der Stakeholder

Bei der Identifikation der Stakeholder dürfen nicht nur die formellen Strukturen des Unternehmens betrachtet werden. Vielmehr müssen auch informelle und möglicherweise indirekte Beziehungen einbezogen werden.

Zu diesem Zweck ist es hilfreich, die Stakeholder-Umgebung in Form von inneren und äußeren Kreisen zu betrachten. Grundsätzlich repräsentieren innere Kreise die bedeutsameren und einflussreicheren Stakeholder.

Stakeholder identifizieren für zielgerichtetes Stakeholder-Management

Die hier eingetragenen Stakeholder bzw. Gruppen dienen lediglich dem allgemeinen Überblick. Grundsätzlich hängt die Formation von Stakeholdergruppen von der jeweiligen Situation ab. Obwohl die Stakeholderanalyse auch als Instrument der Branchenanalyse genutzt werden kann, ist sie zur Beurteilung konkreter Entscheidungen oder Situationen in Unternehmen am wirkungsvollsten. Hier wirkt sich aus, dass sich einzelne Personen oder Gruppen in verschiedenen Situationen unterschiedlich verhalten werden. So könnten z.B. die Marketing- und die Produktionsbereiche hinsichtlich einzelner Produktentscheidungen gleicher oder unterschiedlicher Auffassung sein und müssten dementsprechend in die Analyse einbezogen werden. Umweltschutzverbände werden i.d.R. geringes Interesse an personellen Entscheidungen eines Unternehmens zeigen, können jedoch bei Standortentscheidungen erheblichen Einfluss ausüben.

 

Bestimmung des Einflusses einzelner Stakeholder-Gruppen

Im Zusammenhang mit der Stakeholderanalyse versteht man unter Einfluss die Fähigkeit einer Person oder einer Gruppe, andere Personen/Gruppen zu bestimmten Handlungsweisen zu bewegen. Eine solche Beeinflussung kann auf unterschiedliche weise erfolgen, z.B. durch direkte Weisungsbefugnis, Lobbyismus, Ausüben einer marktbeherrschenden Stellung oder Meinungsführerschaft. Der Einfluss von Stakeholdern kann sich wie folgt begründen:

Interne Stakeholder

Externe Stakeholder

  • Hierarchie (z.B. formelle Weisungsbefugnis
  • Einfluss (z.B. charismatische Führungspersönlichkeiten
  • Kontrolle über strategische Ressourcen (z.B. Zuständigkeit für strategisch wichtige Produkte, Kunden etc.)
  • Wissen und Fähigkeiten (z.B. Spezialistenwissen)
  • Kontrolle über externe Faktoren (z.B. Kontakte, Verhandlungsgeschick)
  • Kontrolle über strategische Ressourcen (z.B. Hauptlieferant, Gewerkschaften)
  • Wissen und Fähigkeiten (z.B. Subunternehmer)
  • Interne Kontakte (z.B. Lobbying)

Da sich der Einfluss einzelner Stakeholder aus zahlreichen verschiedenen Quellen ergeben kann, ist es oft hilfreich, auf sichtbare Anzeichen für möglichen Einfluss zu achten. Dazu können folgende Indikatoren verwendet werden:

Interne Stakeholder

Externe Stakeholder

Status

z.B. hierarchische Stellung, Gehalts-/Prämienniveau, Ansehen

Status

z.B. Reaktionsgeschwindigkeit des Unternehmens auf Anfragen

Ressourcen

z.B. Abteilungsbudget, Anzahl der Mitarbeiter – besonders deren Entwicklung im Vergleich zu anderen Abteilungen oder in Relation zu den insgesamt vorhandenen Ressourcen

Ressourcen

z.B. prozentualer Anteil an Geschäftsanteilen, Kreditvolumen, Absatz- oder Einkaufsvolumen, gegenseitige organisatorische Verflechtungen à Wechselkosten des Unternehmens

Repräsentation in wichtigen Positionen/Organen

z.B.  Sitz im Aufsichtsrat, Beteiligung in wichtigen Kommissionen und Projektteams

Vereinbarungen

z.B. Festpreisvorgaben des Unternehmens vs. gleichberechtigte Preisvereinbarungen

Statussymbole

z.B. eigene Sekretärin, Lage und Ausstattung der Büros, Zugehörigkeit zu wichtigen Verteilerlisten

Statussymbole

z.B. Einladung zu Geschäftsessen, direkter Kontakt zum Top-Management

Einzelne Ausprägungen dieser Indikatoren werden dabei kaum ein aussagefähiges Bild über den Einfluss des Stakeholders ergeben. Die kombinierte Betrachtung aller möglichen Einflussquellen und –indikatoren – auch im Vergleich zu anderen Stakeholdern – wird jedoch zum Gesamtverständnis beitragen können.

Analyse von Interesse und Einfluss

Neben der Untersuchung des Einflusses einzelner Stakeholder im Sinne von ihrer Fähigkeit, auf bestimmte Vorgänge einzuwirken, muss auch berücksichtigt werden, inwieweit er diesen Einfluss voraussichtlich ausüben wird. Öffentliche Fördermittelgeber können u.U. hohen Einfluss auf ein Unternehmen nehmen. Im Falle einer geplanten Sitzverlagerung würden sie diesen Einfluss geltend machen, während sie eine Entscheidung über neue Produktlinien nur interessiert zur Kenntnis nehmen würden.

Zur Bestimmung der Erwartungen und des Einflusses einzelner Stakeholder kann die Einfluss-Interessen-Matrix verwendet werden. Dabei werden folgende Sachverhalte beurteilt:

  • Wie groß ist das Interesse des Stakeholders, seine Erwartungen an da Unternehmen zu verfolgen? und
  • Hat der Stakeholder die Möglichkeiten, diese Erwartungen durchzusetzen?

Im Ergebnis gibt die Einfluss-Interessen-Matrix Aufschluss darüber, wie das Unternehmen auf einzelne Stakeholder oder Gruppen eingehen muss. Auf dieser Basis kann bestimmt werden, ob anstehende Entscheidungen auf Unterstützung oder Widerstand stoßen werden und welche Gruppen verstärkt einbezogen werden müssen.

Stakeholder Matrix: Einfluss und Interesse der Stakeholder 

Die Stakeholder in Sektor A haben nur ein geringes Eigeninteresse an dem Vorhaben des Unternehmens und könnten auch nur in geringen Umfang Einfluss ausüben. Sie sollten in dem minimal gebotenen Rahmen informiert und einbezogen werden (z.B. Pflichtveröffentlichungen).

Die Stakeholder in Sektor B haben zwar ein großes Interesse an den Vorgängen im Unternehmen, jedoch verfügen sie kaum über Einflussmöglichkeiten. Entsprechend ihrer Interessen sollten sie insbesondere durch einen guten Informationsfluss eingebunden werden. Bei Befriedigung dieser Informationsbedürfnisse können solche Stakeholder in Entscheidungssituationen – z.B. bei der Bildung von Allianzen oder der Abgabe öffentlicher Stellungnahmen – wichtige Verbündete sein.

Die Beziehung zu Stakeholdern in Sektor C kann sich besonders schwierig gestalten. In diese Gruppe fallen häufig institutionelle Investoren oder Gesetzgeber. Sie verhalten sich weitgehend passiv und haben ein geringes Interesse an den Vorgängen im Unternehmen. Sie können jedoch – bspw. durch Entscheidung über weitere Ressourcen – erheblichen Einfluss auf das Unternehmen ausüben. Solche Stakeholder sollten bei allen weitreichenden Entscheidungen bedacht werden und entsprechend ihrer Interessengebiete auch einbezogen werden.

Die wichtigsten Stakeholder befinden sich mit einem hohen Interesse und großen Einflussmöglichkeiten in Sektor D. Sie sind unbedingt in Planungs- und Entscheidungsprozesse einzubeziehen.

In diese Matrix sind alle identifizierten Stakeholder einzuordnen. Im Ergebnis können folgende Erkenntnisse gewonnen werden:

  • Empfehlungen für die Behandlung einzelner Stakeholder
  • Identifikation der wichtigsten Befürworter und Gegner eines Vorhabens.
  • Notwendige Umpositionierung von Stakeholdern. (z.B. Verminderung des Einflusses eines wichtigen Gegners – von D zu B; Erhöhung des Interesses eines einflussreichen Befürworters – von C zu D)
  • Notwendige Maßnahmen, um Stakeholder in ihren Positionen zu halten. (z.B. Befriedigung der Interessen in Sektor C)

Zur Unterstützung dieses Prozesses kann die gegenwärtige Stakeholdersituation einer aus Sicht des Unternehmens wünschenswerteren Konstellation gegenübergestellt werden. Dies ermöglicht die Aufdeckung von Abweichungen und zeigt Wege, die Position einzelner Stakeholder zu verschieben. Beispielsweise kann die Meinung eines wichtigen Kunden beeinflusst werden, indem man ihn frühzeitig in die Planungsprozesse einbezieht und so für beide Seiten tragbare Lösungen findet. Der Einfluss einer Abteilung, die einem Vorhaben positiv gegenübersteht, könnte durch Aufnahme von Vertretern in Planungsgremien erhöht werden. Diese Analyse kann auch Aufschlüsse liefern, ob größere Stakeholdergruppen ggf. in Untergruppen unterteilt werden sollten, die dann entsprechend ihrer Interessen unterschiedlich angesprochen und einbezogen werden. Auf diese Weise könnten neue Allianzen gebildet und Einflussgewichtungen verschoben werden.

Bei jeder Beeinflussung von Stakeholder-Positionen sind jedoch ethische und rechtlichen Grenzen zu beachten.

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Power-Lobbying: Das Praxishandbuch der Public Affairs: Wie Unternehmenserfolge durch Lobbying, Stakeholdermanagement und Corporate Citizenship abgesichert und gesteigert werden

 

Hinweis: Es handelt sich um die aktualisierte Fassung eines ursprünglich im Jahr 2000 veröffentlichten Beitrags

Bildqullen:
Bild 1 https://pixabay.com/de/photos/nachrichten-zeitung-computer-lesen-1729539/
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