Customer-Journey: Die Kaufreise des Kunden verstehen
Die Spielregeln im Markt werden heute von den Konsumenten diktiert. Eine Obsession für Kundenbelange ist somit ein Muss. Das Marketing der Zukunft orientiert sich deshalb an Touchpoints – und an der Customer-Journey. Sie stellt die prototypische „Reise“ eines Kunden durch die Unternehmenslandschaft dar.
Wer als Kunde mit Unternehmen interagiert, ärgert sich oft über unkoordinierte Prozesse. Ursache dafür sind Silostrukturen, isolierte Abteilungsziele und die hiermit verbundenen Eigeninteressen. Zudem sind die Unternehmen meist in zwei Geschwindigkeiten am Markt unterwegs: Die Zielgruppe hat längst Infos über einen neuen Service via Fachpresse erhalten, der Vertrieb aber noch nicht.
Über den neuen Werbespot, der bereits durchs Fernsehen oder Radio geistert, wurden die Mitarbeiter nicht einmal informiert. Solche Abstimmungslücken gibt es natürlich auch intern. Über ein und denselben Kunden existieren an mehrere Stellen verschiedene Daten. Dem Verkäufer hat der Kunde ausdrücklich gesagt, dass er nicht angerufen werden will. Aber im Callcenter weiß kein Mensch etwas davon.
Miteinander oder gegeneinander?
In vielen Unternehmen arbeiten die einzelnen Abteilungen nicht miteinander, sondern gegeneinander. Wir sind die Guten, die sind die Bösen, ist dann das Motto, und die leidige Suche nach Sündenböcken beginnt. „Die“ im Marketing machen bloß bunte Bildchen, draußen beim Kunden waren die nie.
Und „die“ im Aftersales vergeigen ständig die tollen Aufträge, die wir im Vertrieb unter Mühen hereingeholt haben. In der Auftragsabwicklung gerät man indes in die Bredouille, weil die Verkäufer unhaltbare Versprechen machen, um ihre Umsatzziele zu erreichen. Durch falsch aufgesetzte Bonussysteme werden solche Grabenkriege auch noch befeuert.
Doch Silodenke, Insellösungen und Bereichsegoismen sind mit einer vernetzten Kundenwelt unvereinbar. Denn der Kunde betrachtet ein Unternehmen immer als Einheit. Abteilungsbedingte Zuständigkeiten interessieren ihn nicht. Deshalb braucht es synchronisierte Prozesse, die wie am Schnürchen klappen und den Kunden in seinem kompletten Kaufkreislauf passend begleiten.
Die Reise des Kunden verstehen
Nicht nur auf einer Reise in fremde Länder, sondern auch auf einer Reise durch die Kommunikations- und Servicelandschaft eines Anbieters kann man was erleben. Und jeder Kontakt hinterlässt Spuren: in den Köpfen und Herzen der Menschen - und oft genug auch im Web. Denn wie im wahren Leben will man von seiner Reise erzählen.
So sammelt der Kunde an jedem Touchpoint Eindrücke, die sich zu einem Gesamtbild verdichten: Dieser Anbieter ist auf Dauer der richtige für mich – oder auch nicht. Dabei ist die Meinung des Kunden immer subjektiv, häufig verallgemeinernd, manchmal unfair, vielleicht sogar falsch – aber es ist seine Meinung, die er ungefragt weitergibt. Genau solche Erfahrungsberichte beeinflussen dann die Kaufentscheidungen Dritter.
Woher der Begriff Customer-Journey überhaupt stammt? Ursprünglich kommt er aus dem E-Commerce und beschreibt den Weg des Users beim Surfen im Web über Views und Clicks bis zum schließlichen Ja. Was bei dieser Betrachtung gerne vergessen wird: Ein potenzieller Kunde springt nicht nur im Web hin und her, vielmehr verquickt er virtuelle mit realen Touchpoints. Lange bevor er via Hotline einen direkten Kontakt aufnimmt, hat er Bewertungen gelesen und Preise verglichen.
Zudem klickt der Kunde sich über verschiedene Geräte in die Onlinewelt ein. Höchst selten folgt er dabei den vom Anbieter vorgedachten Kanälen, die unkoordiniert vor sich hin agieren. Nein, er geht seinen eigenen Weg. Die kundenindividuelle „Offline-online-mobile-Customer-Journey“ muss also Dreh- und Angelpunkt aller Unternehmensaktivitäten sein.
Wie man eine Customer-Journey visualisiert
Jede Kundenbeziehung erwächst aus einer zeitlichen Abfolge von Interaktionen, die sich von einem Punkt in der Vergangenheit in eine gemeinsame Zukunft bewegt. So hat sich die Methode des „Touchpoint Journey Mapping“ als besonders hilfreich erwiesen. Dazu wird eine typische Kundenreise in Form einer Reiseroute gezeichnet. Der Weg zu den einzelnen Touchpoints erscheint wie eine fortlaufende Linie von links nach rechts, wobei die Kunden natürlich auch vor und zurückgehen können.
Eine typische Kundenreise kann zum Beispiel aus folgenden Stationen bestehen: Onlinerecherche – Vorauswahl – Kontaktaufnahme – Beratungsgespräch – Vertragsabschluss – Rechnungsempfang – Bezahlung – Empfang der Ware – Nutzung der Ware – (Reklamation) – (Wiederkauf) – (Weiterempfehlung) – (Absprung). Wie dies optisch aussehen kann? Fragen Sie mal Suchmaschinen, es gibt eine Menge passender Grafiken hierzu.
Jede Kundenreise kann zwar annähernd aus den gleichen Hauptstationen bestehen, im Detail jedoch ist der Weg vom Interessenten bis zum potenziellen Markenbotschafter bei den einzelnen Kunden verschieden. Und natürlich geht der gleiche Kunde je nach Lust und Laune unterschiedliche Wege. Zudem können einzelne Obertouchpoints wie etwa ein Beratungsgespräch in Untertouchpoints aufgesplittet werden.
Oder es werden die einzelnen Phasen eines Entscheidungsprozesses betrachtet. Oder man stellt die unterschiedlichen Reiserouten verschiedener Personas, das sind prototypische Kundenvertreter, dar. Oder man legt die Reiserouten vieler Kunden übereinander, um die Schlüssel-Touchpoints sichtbar zu machen.
Die sieben Schritte einer Customer-Journey
Hier in aller Kürze die sieben Schritte, die zu einer Customer-Journey gehören. Dazu notwendige Tools werden in meinem Buch Touch.Point.Sieg ausführlich beschrieben.
Schritt 1: Legen Sie fest, welches Szenario Sie für welchen Kundentyp untersuchen wollen. Zum Beispiel: Eine Familie kauft sich ein neues Auto. Definieren Sie die „Reisenden“ in Form von prototypischen Personas, um ein Bild von ihnen zu haben.
Schritt 2: Ordnen Sie die Kundenaktivitäten chronologisch in einzelne Phasen. Dies hilft, den Überblick zu behalten. Auch Obertouchpoints wie zum Beispiel der Anruf wegen einer Reklamation lassen sich so aus der Perspektive des Kunden gliedern.
Schritt 3: Stellen Sie die Kundenaktivitäten in ihrer zeitlichen Abfolge dar und bereiten Sie diese grafisch auf. Beobachten und befragen Sie dazu die Kunden. Illustrieren Sie, quasi wie bei einem Reisebericht, was an den einzelnen Touchpoints passiert: durch Videoaufnahmen, Fotos, episodische Begebenheiten oder Sprechblasen-Statements. Markieren Sie die laut Kundenangaben besonders wichtigen Touchpoints.
Schritt 4: Analysieren Sie das, was aus Sicht des Kunden an den einzelnen Touchpoints passiert, nach den Kriterien „enttäuschend“, „okay“ und „begeisternd“. Finden Sie die Lovepoints und die Painpoints, also die Höhen und Tiefen einer Kundenerfahrung, heraus. Befragen Sie auch dazu die Kunden.
Schritt 5: Erarbeiten Sie gemeinsam, was Sie tun können, um die Kundenerlebnisse an jedem Punkt zu verbessern, reibungsloser und unbeschwerter zu machen. Definieren Sie dazu das Soll, wie also eine optimale Touchpoint-Reise tatsächlich aussehen könnte.
Schritt 6: Setzen Sie die verabschiedeten Maßnahmen schnellstmöglich um. Favorisieren Sie dabei die Quick Wins, also Maßnahmen, die schnelle Erfolge erzielen.
Schritt 7: Monitoren Sie Ihre Erfolge. Legen Sie dazu geeignete Kennzahlen fest. An den wichtigen Touchpoints sollten vor allem die Wiederkauf- und Weiterempfehlungsbereitschaft gemessen werden.
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Die Autorin
Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als Europas führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Sie zählt zu den gefragtesten Referenten im deutschsprachigen Raum. 2015 wurde sie in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der deutschen, schweizerischen und österreichischen Wirtschaft. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager aus. Weitere Informationen: www.anneschueller.de und www.touchpoint-management.de |
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