Die loyalitätsbasierte Kundenklassifizierung
Das größte Vermögen, das ein Unternehmen besitzt, ist die Loyalität seiner Kunden. Im Loyalitätsmarketing wird deshalb eine Zielgruppenauswahl nach Loyalitätskriterien getroffen. Hierzu werden Kunden über die Kundenklassifzierung entsprechend ihres Treueverhaltens geclustert und dann so bearbeitet, dass Wiederkaufverhalten und Empfehlungsbereitschaft kräftig steigen.
Die Wechselbereitschaft der Kunden ist so hoch wie nie. Das neue Phänomen heißt: der flüchtende Kunde. Doch nicht das ständige Kommen und Gehen von Kunden, sondern stabile und dauerhafte Kundenbeziehungen sind die Lebensversicherung eines Unternehmens. Also suchen wir die Loyalen in der Masse.
Doch wie erkennen, wonach suchen? Kaum einer wird bei der Frage: "Werden Sie ein loyaler Kunde sein, wenn wir Sie erst einmal von unseren Leistungen überzeugt haben?" die Hand heben oder bei einer Kundenbefragung an dieser Stelle ein dickes Ja ankreuzen.
Außerdem wollen wir die wertvollste aller Ressourcen, das Loyalisierungspotenzial unserer Mitarbeiter, nicht an die Falschen verschwenden. Das gleiche gilt natürlich auch für Zeit und Geld, das wir in Werbung und Akquise von Nicht-Käufern bzw. Illoyalen stecken. Ergo: Im Loyalitätsmarketing treffen wir eine Zielgruppenauswahl nach Loyalitätskriterien.
Die Kundensegmente im Loyalitätsmarketing
In der betrieblichen Praxis ist allerdings oft zu beobachten, dass Unternehmen kein klares Bild vom Grad der Loyalität ihrer Kunden haben. So kann es zielführend sein, seine Kunden wie folgt zu qualifizieren:
Saboteure
Saboteure sind hochgefährlich, denn sie vertreiben die Kunden. Das tun sie meist in voller Absicht und mit hohem Zerstörungsdrang. Dazu bedienen sie sich nicht nur der klassischen Offline-Kanäle, sondern nutzen zunehmend auch die Möglichkeiten der Web-2.0-Welt. Online wird das verhasste Unternehmen an den Pranger gestellt. Und was dort landet, ist nie mehr zu löschen. Vor allem Negativberichte verbreiten sich im Netz mit rasender Geschwindigkeit. Schnell folgen die einschlägigen Medien und weiten das Ganze skandalträchtig aus. Dies kann schließlich zu Verbraucherboykotten in großem Stil führen – und Firmen ruinieren. Deshalb ist es unabdingbar, seine Saboteure zeitnah zu identifizieren, um mit einem passenden Aktionsplan gegenzusteuern.
Illoyale Kunden
Illoyale Kunden kommen und gehen. Sie sind in aller Regel Preisnomaden, also immer dort, wo es gerade am günstigsten ist - und meistens bei der Konkurrenz. Bei Ihnen tauchen sie höchstens dann wieder auf, wenn Sonderaktionen laufen und Billigpreise geboten werden. Deshalb sind sie selten rentierlich. Sie binden eine Menge Ressourcen und erzeugen dennoch am Ende Negativ-Ergebnisse. Natürlich können je nach Branche auch Einmalkäufer profitabel sein. Und natürlich besitzen auch Einmalkäufer einen Mundpropaganda-, Referenz- und Empfehlungswert. Doch in aller Regel leben Unternehmen von ihren Wiederkäufern.
Verlorene Kunden
Verlorene Kunden sind vielfach vergessene Kunden. Höchstens punktuell kümmert man sich mal um sie. Dabei schlummert im Ex-Kundenkreis ein beträchtliches Ertragspotenzial. Es ist nämlich nicht nur kostengünstiger, sondern häufig auch leichter, abgesprungene Kunden zurückzuholen, anstatt echte Neukunden zu gewinnen. Ein Großteil der migrierten Kunden zeigt, wenn dem sauber nachgegangen wird, latente Rückkehrbereitschaft. Dazu müssen zunächst die abgewanderten Kunden identifiziert und ihre Wechselgründe lokalisiert werden. Danach steuert man mit geeigneten Maßnahmen nur solche Kunden an, die man zurück gewinnen will - und die außerdem rückholbar sind.
Bedingt loyale Kunden
Das sind Kunden, die Gleiches bei mehreren Anbietern kaufen. Sie haben zum Beispiel einen Zweitlieferanten oder eine Zweitbank. So kann man auch von geteilter Loyalität sprechen. Die Gründe dafür sind verschieden: Sie haben mit Marktgegebenheiten oder dem Kunden selbst, meist aber mit dem Mangel an Exzellenz im eigenen Unternehmen zu tun. Bedingt loyale Kunden lieben Sie nicht wirklich, hassen Sie aber auch nicht. Sie werden Ihnen treu verbunden bleiben, solange sich nichts Besseres bietet. Sie sind allerdings auch eine Gefahr, da sie die Unternehmen in Sicherheit wiegen. Denn sie sind schweigsame Kunden. Sie tadeln nicht, sie loben aber auch nicht. Und genauso still machen sie sich von dannen. Latent sind sie nämlich immer wechselbereit.
Total loyale Kunden
Das sind uns, wenn sie rentabel sind, die liebsten. Sie kaufen fast immer oder sogar ausschließlich beim gleichen Anbieter. In der Markenartikelindustrie sind es die ‚First Choice Buyer' (FCB), also die Käufer mit der jeweils höchsten Bedarfsdeckung bei der Marke, die ihre erstpräferierte ist. Oder man spricht von ungeteilt Markentreuen, die in einer Produktgruppe wie etwa Bier immer ein und dieselbe Marke kaufen. Auch wenn dies in vielen Branchen schwer zu erreichen ist, sind die total loyalen das Ziel aller Bemühungen im Loyalitätsmarketing.
Fan-Kunden, Multiplikatoren, Empfehler
Sie sind die neuen ‚Supertargets', auf die insbesondere das Social Media Marketing zielt. Denn nicht mehr durch klassische Werbekampagnen, sondern vor allem durch sich selbst organisierende Kunden-Schwärme werden Marken und neue Trends gemacht. Nicht länger die Presseabteilungen, sondern meinungsstarke Expertenkunden - die sogenannten ‚Alphas' und ‚Mavens' - sichern in Zukunft als Stimmungsmacher und Referenzgeber die Reputation eines Unternehmens.
Dabei lässt sich zwischen Mundpropagandisten und aktiven Empfehlern differenzieren. Der Unterschied? Bei der Mundpropaganda geht es vorrangig um das mehr oder weniger meinungsbildende ‚über eine Sache reden' („Ich hab da was gesehen?" oder: „Hast du das schon gehört?"). Eine Empfehlung impliziert über die reine Kommunikation hinaus einen einflussnehmenden Handlungshinweis, dem in den meisten Fällen eine eigene Erfahrung mit dem jeweiligen Angebot vorausgeht. („Kann ich dir besten Gewissens empfehlen.").
Die Kundensegmente im Loyalitätsmarketing (Quelle: Anne M. Schüller: Kunden auf der Flucht? Wie Sie loyale Kunden gewinnen und halten)
Die Loyalitätsmatrix
Um eine Loyalitätsmatrix zu erstellen, definieren Sie zunächst die Kriterien für den jeweiligen Loyalitätsstatus. Das ist von Branche zu Branche verschieden. Zur weiteren Spezifizierung kann man die Scoring-Methode zu Hilfe nehmen. Dabei werden ausgewählte Kriterien auf einer Skala von null bis zehn bewertet. Die Punkte (= Scores) werden schließlich aufaddiert und in eine Rangreihe gebracht.
In der Folge lassen sich die zu betrachtenden Kunden in eine Portfolio-Matrix eintragen, deren Achsen Rentabilität und Loyalitätsstatus heißen. Wie sich die Rentabilität errechnet, wird ebenfalls im Vorfeld definiert. Dies kann materielle und auch immaterielle Aspekte beinhalten, zum Beispiel: Deckungsbeitrag, Preissensibilität, Zahlungsmentalität, Bonität, Betreuungsaufwand, Reklamationsbereitschaft, Zukunftswert, Image- und Empfehlungswert.
Ist die Matrix erstellt, sehen Sie auf einen Blick, bei wem und in welche Richtung Rentabilisierungs- und Loyalisierungsinitiativen angebracht sind. Und es wird offensichtlich, von welchen Kunden Sie sich trennen müssen: Zum Beispiel von Kunden, die zwar noch ab und an kaufen, aber unablässig schlecht über Sie reden. Das ist negative Loyalität.
Und negative Rentabilität? Ein besessen loyaler, regelmäßig kaufender Verlustbringer ist wohl das schlimmste, was einem Unternehmen passieren kann. Hat ein solcher Kunde einen hohen Image- oder Empfehlungswert, dann heißt es: Versuchen, ihn rentabel zu machen. Ansonsten: Finger weg! Ein Rauswurf will jedoch gut überlegt sein, damit der Schuss nicht nach hinten geht.
Zehn-Felder-Portfolioanalyse mit den Achsen Loyalitätsstatus und Rentabilität. Durch die unterschiedliche Größe der Punkte lässt sich eine dritte Dimension, durch Einfärben der Punkte eine vierte Dimension einbauen (Quelle: Anne M. Schüller: Kunden auf der Flucht? Wie Sie loyale Kunden gewinnen und halten)
Die loyalisierende Maßnahmenplanung
Ist die Klassifizierung komplett, lässt sich zielsicher in Richtung Loyalität agieren. Analysieren Sie beispielsweise einmal ganz genau, wie Sie an Ihre loyalen Kunden gekommen sind, was sie auszeichnet und wie sie sich verhalten. Welche Muster sind zu erkennen? Und welche davon lassen sich reproduzieren? So können Profile und Prozesse erstellt werden, mit deren Hilfe man systematisch auf die Suche nach neuen loyalen und profitablen Kunden gehen kann.
Man lernt dabei auch, solche Kunden zu meiden, bei denen alle Loyalisierungsbemühungen zwecklos sind. Denn Loyalität lässt sich nicht bei Allen und Jedem erreichen – und schon gar nicht auf die gleiche Weise. So lässt sich auch sicherstellen, dass durch falsche Aktivitäten keine illoyalen und unrentablen Kunden mehr angelockt werden. Die am leichtesten zu gewinnenden Kunden sind ja nicht selten die am wenigsten loyalen.
Lockvogelangebote, Gutscheinaktionen, Gewinnspiele und vor allem falsch aufgesetzte vertriebliche Anreizsysteme zielen meist unbedachterweise auf die schnellen Wechsler. Sie können das herausfinden, wenn Sie Umsatz bzw. Verweildauer von Sonderpreis- und Gutschein-Kunden denen von loyalen Stammkunden gegenüberstellen. Im Loyalitätsmarketing gilt: Nicht die Neukunden, die potenziellen Wechsel und die kündigenden Kunden erhalten die Goodies, sondern die treuen Kunden. Denn wer treue Kunden will, muss Kundentreue belohnen.
Das Buch zum Thema
Die Autorin
Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, zehnfache Buch- und Bestsellerautorin und Consultant. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als Europas führende Expertin für Loyalitätsmarketing und ein kundenfokussiertes Management. Sie zählt zu den gefragtesten Business-Referenten im deutschsprachigen Raum. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft. www.anneschueller.com
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