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BGH-Grundsatzurteil zum übernahmerechtlichen Pflichtangebot

Veröffentlicht am 05. September 2013
Geschrieben von Allen & Overy LLP

Überschreitet ein Aktionär einer börsennotierten Gesellschaft die Schwelle von 30% der Stimmrechte und unterlässt es, ein Pflichtangebot abzugeben, haben die anderen Aktionäre keine zivilrechtlichen Ansprüche gegen diesen Aktionär – weder auf Abnahme ihrer Aktien gegen Zahlung eines Kaufpreises, der im Fall eines Pflichtangebots hätte gezahlt werden müssen, noch auf Schadensersatz oder Zinsen.

Überschreitet ein Aktionär einer börsennotierten Gesellschaft die Schwelle von 30% der Stimmrechte und unterlässt es, ein Pflichtangebot abzugeben, haben die anderen Aktionäre keine zivilrechtlichen Ansprüche gegen diesen Aktionär – weder auf Abnahme ihrer Aktien gegen Zahlung eines Kaufpreises, der im Fall eines Pflichtangebots hätte gezahlt werden müssen, noch auf Schadensersatz oder Zinsen.

Dies ergibt sich aus einem jetzt veröffentlichten Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), das Allen & Overy erstritten hat (II ZR 80/12).

Die BGH-Grundsatzentscheidung klärt drei bisher strittige Fragen: Erstens war umstritten, ob sich ein zivilrechtlicher Anspruch einzelner Aktionäre auf Zahlung einer Gegenleistung aus dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) oder aus einem mitgliedschaftlichen Schuldverhältnis ergibt. Laut BGH bestehen keine derartigen Ansprüche. Sie lassen sich weder aus dem Wortlaut des WpÜG noch aus den Gesetzesmaterialien herleiten. Diese Auslegung, so der BGH, entspricht auch dem Sinn und Zweck des WpÜG, Rahmenbedingungen für Unternehmensübernahmen in Deutschland zu schaffen, die den Anforderungen der Globalisierung und der Finanzmärkte angemessen Rechnung tragen und den Wirtschaftsstandort und Finanzplatz Deutschland auch im internationalen Wettbewerb weiter stärken.

Hierin sieht der BGH eine vorwiegend kapitalmarktrechtliche Ausrichtung des Gesetzes; der Schutz der Aktionäre ergibt sich als Rechtsreflex aus den Vorschriften, die das Übernahmegeschehen regulieren. Darüber hinaus, so der BGH, sprechen systematische Erwägungen für diese Auslegung: Solange kein Pflichtangebot abgegeben wird, kann ein Kontrollaktionär keine Rechte aus seinen Aktien herleiten; damit sind Beschlüsse der Hauptversammlung, die auf den Stimmen des Kontrollerwerbers beruhen, anfechtbar. Außerdem ist der Verstoß ordnungswidrig und kann mit Geldbuße bis zu 1 Million Euro geahndet werden.


Zweitens war umstritten, ob die Vorschrift über das Pflichtangebot (§ 35 WpÜG) ein Schutzgesetz im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (§ 823 Abs. 2 BGB) ist und in dieser Funktion Schadensersatzansprüche der Aktionäre begründen kann. Der BGH hat dies jetzt verneint. Zwar dient § 35 WpÜG auch dem Schutz der Aktionäre vor den Folgen eines Kontrollerwerbs. Angesichts der vorrangig kapitalmarktrechtlichen Ausrichtung des WpÜG und der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, an die Unterlassung eines Pflichtangebots keine vertraglichen oder mitgliedschaftlichen Ersatzansprüche zu knüpfen, könne nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber den Aktionären einen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB einräumen wollte.

Drittens war umstritten, ob Zinsen nur geschuldet sind, wenn und soweit ein Pflichtangebot verspätet veröffentlicht wird, oder ob bei Unterlassung eines Pflichtangebots ein selbstständiger Zinsanspruch besteht. Der BGH war mit dieser Frage bereits in einem früheren Rechtsstreit befasst, konnte sie in seiner Entscheidung vom 18.9.2006 (II ZR 137/05) jedoch offenlassen. Nunmehr hat der BGH entschieden, dass der Zinsanspruch nach § 38 WpÜG ein akzessorischer Anspruch ist, der nur bestehen kann, wenn auch ein Hauptanspruch (der Anspruch aus dem Pflichtangebot) besteht. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, ihrem Sinn und Zweck und aus systematischen Erwägungen.

Im entschiedenen Fall hatte ein ungetreuer US-Vermögensverwalter Kundengelder weisungswidrig angelegt und für einen Kunden ohne dessen Wissen in einer früher am Neuen Markt notierten Gesellschaft eine Position von über 30% aufgebaut. Der ebenfalls in den USA ansässige Kunde hatte niemals die Hauptversammlung der Gesellschaft besucht.

Die von Allen & Overy geführte Verteidigung gegen die Klage war in allen drei Instanzen erfolgreich (Vorinstanzen: LG Köln v. 4.2.2011 - 82 O 30/09; OLG Köln v. 25.1.2012 - 13 U 41/11).

Das Allen & Overy-Team bestand aus den Partnern Dr. Hartmut Krause (Federführung, Corporate/M&A), Prof. Dr. Daniel Busse (Dispute Resolution) und Dr. Matthias Horn (Corporate/M&A) unterstützt von den Senior Associates Jana Löwer (Dispute Resolution) und Alexander Wüpper sowie Associate Johanna Viebig (beide Corporate/M&A, alle Frankfurt).

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