Viele angestellte Arbeitnehmer träumen den Traum von der beruflichen Selbständigkeit. Doch wenige wagen den Schritt aus dem Angestelltendasein in das Unternehmertum. Oft schrecken die finanziellen Risiken ab. Ein sinnvoller Zwischenschritt – oder auch ein dauerhafter Mittelweg – kann in einer nebenberuflichen Selbständigkeit liegen. Dafür sind besonders webbasierte Geschäftsideen geeignet, da diese örtlich und zeitlich unabhängig ausgeübt werden können.
Alle diese Wege in die Selbständigkeit haben Vor- und Nachteile. Ich blicke auf inzwischen 15 Jahre Tätigkeit als Unternehmer in eigener Sache zurück. In diesem Artikel beschreibe ich meine persönlichen Erfahrungen mit der haupt- und nebenberuflichen Selbständigkeit.
Dies ist ein Beitrag zur Blogparade Neben- oder hauptberuflich selbständig machen? auf Selbständig im Netz.
Meine unternehmerische Tätigkeit begann im Januar 2001 mit der Gründung einer GmbH, in der mein Mann und ich unsere diversen Projektideen gebündelt haben. Damals kamen sehr viele Dinge zusammen, die uns zu diesem Schritt motivierten:
Das MBA neigte sich dem Ende. Unsere Umsätze waren für die kurze Anlaufphase zwar ansehnlich, aber nicht ausreichend, um zwei Vollzeitgehälter zu ersetzen. So ging ich zurück ins Angestelltenleben und die Selbständigkeit verlagerte sich neben den Berufsalltag.
Um späteren Problemen vorzubeugen habe ich meine nebenberuflichen Aktivitäten übrigens in jedem Vorstellungsgespräch aktiv angesprochen und mir im Arbeitsvertrag genehmigen lassen. Das war immer ganz unproblematisch. Ich hatte wohl ein gutes Argument getroffen:
„Andere verbringen in ihrer Freizeit Stunden im Internet in Diskussionsforen, Second Life oder … (was auch immer zu der Zeit gerade beliebt war). Ich schreibe etwas ins Internet. Wo ist der Unterschied?“
Ich habe diesen Schritt nie bereut. Dabei ging es nicht nur um das beruhigende Gefühl, ein regelmäßiges Einkommen zu haben. Wichtiger ist für mich, dass ich in den folgenden Jahren der Berufstätigkeit wichtige Erfahrungen gesammelt habe, die mir bei meiner Selbständigkeit sehr helfen.
Da es in meinen Webprojekten um Management- und Strategiethemen geht, hat mir mein Arbeitsleben reichlich passende Ideen für Artikel und Blogposts geliefert. Hier einige Beispiele:
In dieser Zeit haben mein Mann und ich kontinuierlich an unseren Webprojekten gearbeitet. Im Jahr 2006 wurde zusätzlich unser Strategieblog Eddielogic.com ins Leben gerufen. (übrigens benannt nach unserem Graupapageien Eddie)
Wir hatten so stets ein gewisses Nebeneinkommen. Dadurch nagte die ganze Zeit über an uns der Gedanke „Da könnte man mehr draus machen. Man müsste nur die Zeit haben.“
Mitte 2015 machte ich aus dem Nebenberuf wieder einen Hauptberuf. Dafür gab es zwei Auslöser. Ende 2014 hatten unsere Webseiten und Aktivitäten ein Ertragsniveau erreicht, die ein erstes Gehalt ersetzen konnte. Der zweite Auslöser war beruflich bedingt. Mein Arbeitgeber wurde von einem größeren Wettbewerber gekauft; das Unternehmen wurde umstrukturiert. Ich hatte die Option auf eine Stelle beim Erwerber, fand diese aber nicht so spannend. Es war eine Jetzt-oder-nie-Gelegenheit, die ich ergriff.
Ich habe beide Seiten kennengelernt. Ein Richtig und Falsch gibt es da nicht – nur eine Lösung, die im Einzelfall gut funktioniert.
Ich hatte eine sehr lange Parallelphase, die für meine Projekte sehr wichtig war:
Eine nebenberufliche Selbständigkeit kann schnell zu einer Doppelbelastung werden. Das hält man vor allem mit einer großen Portion Motivation und Disziplin aus.
Eine weitere wichtige Erfahrung habe ich allerdings gemacht: Wenn einem die nebenberufliche Tätigkeit wirklich Spaß macht, fühlt es sich nicht wie ein zweiter Job an. Dabei geht es nicht nur um das Thema und die Nische, die man bearbeitet. Bei webbasierten Projekten sollte man außerdem noch Spaß am Schreiben und an der Pflege von Websites haben.
Den Start in die Vollzeit-Selbständigkeit habe ich als den eigentlichen Start in das Unternehmertum wahrgenommen. Bis dahin hatte ich eine Nebentätigkeit. Jetzt kann ich meine gesamte Zeit und Energie für Kundenprojekte und meine eigenen Ideen einsetzen. Ich treffe die Entscheidungen und trage auch die Konsequenzen von Fehlern. Das fühlt sich für mich richtig gut an. Ein positiver Nebeneffekt: Durch meine Selbstständigkeit habe ich andere Menschen, Unternehmen und Orte kennengelernt, die ich in meiner Festanstellung wahrscheinlich nie getroffen hätte.
Daneben haben sich für mich seit den Start in die Vollzeit-Selbständigkeit zwei wichtige Vorteile ergeben: die verfügbare Zeit und das damit mögliche Comittment für mein Unternehmen (und seine Kunden) sowie die Flexibilität
Es ist ein großer Unterschied, ob man für seine Kunden und Projekte nur abends und am Wochenende ein paar Stunden erübrigen kann, oder ob man seine gesamte Arbeitszeit dafür einsetzt:
Als Vollzeit-Selbständige kann ich zudem zeitlich und örtlich flexibler arbeiten. Damit meine ich nicht, dass ich nun nebenher um die Welt reisen kann (als sog. digitaler Nomade). Es hilft einfach, dass ich nicht meine gesamte Arbeitszeit an einem bestimmten Schreibtisch verbringen muss. In der Schule der Tochter fällt die Nachmittagsbetreuung aus? Kein Problem mehr. Ich bin mit ihr in den Kletterpark gefahren und habe auf dem Notebook einen Artikel fertiggeschrieben und eine Workshop-Struktur erarbeitet. Fachkonzepte kann ich praktisch überall auf meinem iPad erstellen. Als mich im Sommer das Wetter förmlich ins Freie rief, habe ich meinen Arbeitsplatz kurzerhand auf die Terrasse verlagert.
Tatsächlich ist es so, dass für mich die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit zunehmend verschwimmt, wie ich auch in diesen Beiträgen berichte Der Nach-dem-Urlaub-Blues bei Angestellten und Unternehmern und Ist das noch Arbeit oder schon Urlaub?
Wie oben gezeigt, haben Vollzeit- und Teilzeitselbständigkeit ihre Licht- und Schattenseiten. In jedem Fall ist man Unternehmer. Damit gehen Risiken und Verpflichtungen einher. Deshalb empfehle ich jedem, vor einem Start in die Selbständigkeit gründlich die eigene Motivation zu prüfen. Einige Ziele können nur durch eine Selbständigkeit sicher erreicht werden. Andere sind dagegen mit etwas Kreativität auch als Angestellte realisierbar.
Wer sich ganz dem widmen will, wofür er brennt, ist oft in der Selbständigkeit besser aufgehoben. So kann er/sie sich gezielt der Sache widmen, die ihm am Herzen liegt. Es lohnt sich jedoch auch zu prüfen, ob es Berufsbilder mit ähnlichen Inhalten gibt.
Viele Menschen wollen dem Angestelltenleben entfliehen, um einen besseren Ausgleich zwischen Arbeit und „Leben“ zu erreichen. Gefördert wird diese Motivation nicht zuletzt durch die schillernden Berichte der Digitalen Nomaden, die Bilder von ihrem „Laptop-Lifestyle“ am Strand posten.
Dabei wird gern vergessen, dass eine erfolgreiche Selbständigkeit ebenfalls harte Arbeit bedeutet. Oft muss ein Existenzgründer weit mehr Stunden arbeiten als ein Angestellter.
Wenn es wirklich nur um eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatsphäre geht, kann das Ziel möglicherweise auch anders erreicht werden. Beispiele sind Flexibilisierung der Arbeitszeit und Home Office.
Haupt- oder nebenberuflich selbständig – es gibt kein richtig und kein falsch. Ein nebenberuflicher Start bietet einen geschützten Rahmen, in dem man sich ausprobieren und eine gute Grundlage aufbauen kann. Allerdings laufen nebenberufliche Projekte immer Gefahr, im Zeitmangel des Alltags zu versanden. Mit vollem Zeiteinsatz kann man sein Projekt dagegen viel stärker vorantreiben.
Es gibt auch kein schwarz oder weiß. Über ein Sabbatical oder einen Teilzeitjob mit Teilzeit-Selbständigkeit kann man seine persönliche Mischung für das Beste aus beiden Welten zusammenstellen.
Ich empfehle jedem angehenden Gründer, sich ganz ehrlich selbst über seine Erwartungen, Prioritäten, aber auch die persönlichen Grenzen im Klaren zu werden.
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