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Selbst erstellte Rechenmodelle: Best Practices für mehr Zuverlässigkeit und Akzeptanz

Veröffentlicht am 10. Dezember 2015
Geschrieben von Dagmar Recklies

Wenn man sich an einige Grundregeln und Best Practices hält, können auch mit Tabellenkalkulationsprogrammen zuverlässige und vertrauenswürdige Rechenmodelle erstellt werden. Für das Erstellen von zweckmäßigen und zuverlässigen Rechenmodellen ist außerdem ein Grundverständnis zu Eigenschaften und Strukturen unerlässlich. Darauf geht dieser Artikel zuerst ein. Im Anschluss werden zahlreiche praxiserprobte Best Practices dargestellt.

Im Unternehmensalltag sind Tabellenkalkulationsprogramme[1] wie Excel nicht mehr wegzudenken. Ob für Planungen, Auswertungen oder Analysen, ob für einfache Rechnungen oder komplexe Simulationsmodelle – ein geübter Anwender kann damit zahllose Aufgaben bewältigen.

Dennoch sind selbst erstellte Excel-Tools nicht unumstritten. Den Vorteilen stehen einige Nachteile gegenüber, die nicht ignoriert werden können (Mehr zu den Vor- und Nachteilen in unserem Artikel Excel-Tools in der strategischen Planung – Mit Vorsicht zu genießen).

Eigenschaften von Rechenmodellen

Rechenmodelle sind eine Abstraktion

Um die Grenzen von Rechenmodellen jeder Art zu verstehen ist es wichtig, sich ihrer grundlegenden Eigenschaft bewusst zu werden:

Wie alle anderen Modelle auch, sind Finanzmodelle ein vereinfachtes Abbild der Realität. Sie stellen eine Abstraktion dar, die die Komplexität der tatsächlichen Finanzströme so weit reduziert, dass sinnvolle Berechnungen möglich werden.

Diese Abstraktion beschreibt z.B. das Finanzsystem eines Unternehmens in Bezug auf seine Zahlungsströme (Cash Flows) und – soweit nötig – weitere wirtschaftlich relevante Wertströme (Abschreibungen, Bestandsänderungen etc.).

Dies geschieht auf zwei Ebenen:

Die externe Sicht

Zur korrekten Modellierung müssen die relevanten Grenzen des Unternehmens oder des zu berechnenden Sachverhalts bestimmt werden:

  • Was geht hinein – Inputwerte / Variablen
  • Was geht hinaus – Outputwerte / Ergebnisse

Die interne Sicht

Das Modell bildet definierte interne Strukturen und Beziehungen zwischen den zu berechnenden Komponenten ab. Das können z.B. die Zusammenhänge zwischen Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz und Cash Flow Statement sein.

Diese Zusammenhänge bestimmen die zu verwendenden Funktionen und Formeln.

Diese beiden Sichtweisen – die Grenzen des zu berechnenden Sachverhalts und die inneren Wirkmechanismen – müssen bestimmt werden, bevor sie in einem Rechenmodell formelmäßig dargestellt werden.

Dabei ist regelmäßig zwischen erwünschter Genauigkeit und der Komplexität des Modells abzuwägen. Die Berücksichtigung von möglichst vielen Einzelaspekten vergößert das Rechenmodell zunehmend. Dadurch steigt die Komplexität, die Nachvollziehbarkeit sinkt und die Notwendigkeit zur Berücksichtigung von seltenen Sonderfällen steigt.

Grundstruktur von finanziellen Rechenmodellen

Jedes Rechenmodell folgt dieser Grundstruktur:

Inputwerte – Berechnung (Funktionen) – Outputwerte

Die folgende Darstellung verdeutlicht diese Grundstruktur am Beispiel eines Rechenmodells für die integrierte Planung von Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz und Cash Flow Statement.

Grundstruktur eines Rechenmodells - Inputverte, Verarbeitung, Outputwerte
Grundstruktur eines Rechenmodells

 

Vier Grundprinzipien von Rechenmodellen

Jedes Rechenmodell muss diese vier Grundfunktionen erfüllen, um eine sinnvolle Entscheidungsunterstüztung zu gewährleisten:

  1. Abstraktion
    Modelle sind vereinfachte Abbildungen der Realität. Sie sollen die Realität nicht perfekt replizieren. Modelle die zu sehr ins Detail gehen, fokussieren die Diskussion zu stark auf Einzelaspekte und Lenken von der Notwendigkeit ab, die Ergebnisse zu analysieren.
  2. Transparenz
    Eine klare und transparente Struktur ist die Voraussetzung für Vertrauen in das Modell.
  3. Präsentation
    Das Modell muss die Ergebnisse nutzerorientiert ausweisen. Tabellen, Diagramme und Zusammenfassungen sind sinnvolle Elemente.
  4. Flexibilität
    Eine kurzfristige Flexibilität ermöglicht die Berechnung und den Vergleich verschiedener Szenarien. Eine langfristige strategische Flexibiltät ergibt sich aus einem Design, das es ermöglicht, das Modell im Zeitablauf entsprechend der Anwenderbedürfnisse weiterzuentwickeln.

Best Practices für die Erstellung von Rechenmodellen

Rechenmodelle in Tabellenkalkulationsprogrammen können sehr groß und komplex werden. Damit sie trotzdem anwenderfreundlich und zuverlässig bleiben und damit auch akzeptiert werden, sollten einige Best Practices beachtet werden.

Vertrauen schaffende Maßnahmen

Rechenmodelle werden meist von einem kleinen Expertenteam oder sogar nur von einer einzelnen Person entwickelt. Die Ergebnisse werden jedoch von anderen Personen verwendet und interpretiert. Die meisten Anwender und Führungskräfte sehen Rechentools die sie nicht selbst erstellt haben als eine Art Black Box. Besonders größere Modelle wirken „undurchschaubar“.

Das macht es einfach, die Glaubwürdigkeit des Tools in Frage zu stellen. Typische Situationen, in denen dem Tool „die Schuld gegeben wird“, sind:

  • Unerwartete Ergebnisse die nicht den allgemeinen Erwartungen entsprechen
  • „unerwünschte“ Ergebnisse, die nicht zu den Zielen des Entscheidungsträgers passen
  • Entscheidungen, die (teilweise) auf Basis der Ergebnisse des Tools getroffen wurden und sich im Nachhinein als falsch herausstellen.

Um solche ineffizienten Diskussionen über die Zuverlässigkeit des Tools von Vornherein zu vermeiden, sollte man als Entwickler einige Vertrauen schaffende Maßnahmen berücksichtigen:

  • Versprechen Sie nichts, was das Rechenmodell nicht halten kann.
  • Bleiben Sie stets mit den direkten und indirekten Nutzern des Tools in Kontakt um sicherzustellen, dass deren Anforderungen entsprochen wird.
  • Klären Sie die Anwender auch über die Grenzen des Tools auf, z.B. über zugrundeliegende Annahmen oder Vereinfachungen.
  • Stellen Sie sicher dass das Tool professionell und vertrauenswürdig aussieht. Design, Formatierungen und Aufbau sollten einheitlich über alle Bestandteile sein und dem Anwender die Orientierung erleichtern.
  • Das Modell sollte an keiner Stelle Fehlermeldungen wie #BEZUG! oder #DIV/0!. Selbst wenn diese Fehlermeldungen keinen Einfluss auf das Ergebnis haben, wird der Anwender das unweigerlich vermuten. Unvermeidliche Fehlermeldungen können optisch durch WENN-Funktionen und den Ausweis von „Null“ oder „“ vermieden werden.
  • Alle Ergebnisse müssen konsistent und reproduzierbar sein.
  • Sorgen Sie nicht nur für korrekte Berechnungen, sondern auch für eine intuitive Nutzerführung.
  • Schließen Sie Fehleingaben und fehlende Eingaben soweit wie möglich aus. Hilfsmittel sind Gültigkeitskriterien, bedingte Formatierungen und Warnhinweise, die im einfachsten Fall über WENN-Funktionen eingeblendet werden.
  • Fügen Sie großzügig Kommentare und Erläuterungen ein, um die einzelnen Rechenschritte zu erklären.
  • Bieten Sie immer wieder an, Ihr Tool allen Interessierten ausführlich zu erklären. So können Sie sicherstellen, dass Funktionsweise, Bedienung, Rechenmethodik und Grenzen des Tools von allen direkten und indirekten Nutzern verstanden werden.
  • Ermutigen Sie die Anwender, sich mit allen Fragen und ggf. unplausiblen Ergebnissen an Sie zu wenden. So können Sie Zweifel meist früh ausräumen und werden auf tatsächlich noch vorhandene Fehler aufmerksam.
  • Testen und warten Sie das Tool regelmäßig (siehe Abschnitt 2.4). Sorgen Sie auch dafür, dass die Anwender von diesen Tätigkeiten erfahren.

 

Best Practices zur Entwicklung eines Tools mit dem jeder arbeiten kann (und will)

Besonders größere Tools werden schnell etwas zum persönlichen “Baby” des Entwicklers. Trotzdem sollten Sie alle Tools so aufbauen, dass Sie diese jederzeit an den berühmten Fachkundigen Dritten übergeben können. Dazu befolgen Sie stets die allgemeinen Konventionen für den Aufbau von Rechenmodellen:

  • Legen Sie getrennte Bereiche (meistens: Arbeitsblätter) für die Dateneingabe (Eingabewerte und allgemeingültige Rechenparameter), Berechnung / Datenverarbeitung und Ergebnisausgabe an. So haben Sie automatisch eine Nutzerschnittstelle und lenken den Anwender auf den für ihn relevanten Bereich.
  • Verwenden Sie ein einheitliches Farbschema mit unterschiedlichen Farben für Eingabefelder, Parameterfelder, Ergebnisfelder, Zeilen- und Spaltenköpfe etc.
    Fügen Sie bei Bedarf eine Erläuterung des Farbschemas ein.
  • Verwenden Sie einheitliche Bezeichnungen, Einheiten, Zahlenformate etc.
  • Bauen Sie zusammengehörige Rechenschritte in einzelnen Modulen auf und verbinden Sie dann die Module durch Formeln miteinander. Dies verbessert nicht nur die Verständlichkeit. Ein weiterer Vorteil ist, dass Sie bei späteren Änderungen nur einzelne Module anpassen oder ergänzen müssen. Wenn Sie stets die Schnittstellen zu den übrigen Modulen unverändert lassen, müssen Sie i.d.R. an den anderen Modulen keine Änderungen vornehmen.
  • Die Zeitachse muss durchgängig in die gleiche Richtung gehen. In den meisten Fällen ist das von links nach rechts in aufsteigender Folge.
  • Bauen Sie das Modell in der logischen Reihenfolge von oben nach unten auf.
  • Neben- und Kontrollrechnungen können an einer geeigneten Stelle dargestellt werden und sollten als solche kenntlich gemacht werden.
  • Führen Sie jede Kalkulation nur einmal durch. Wenn ein Zwischenergebnis für mehrere darauf aufbauende Rechenschritte benötigt wird, arbeiten Sie immer mit einem Zellbezug auf die erste Berechnung. So wirken sich spätere Änderungen immer automatisch auf alle nachfolgenden Schritte aus.
  • Vermeiden Sie Zirkelbezüge so weit wie möglich. Wenn sie unvermeidlich sind (z.B. zum Ausgleich des Delta zwischen den Bilanzsummen auf der Aktiv- und Passivseite), sollte besser mit einer Hilfszeile und einer manuellen Eingabe gearbeitet werden.
  • Wenn externe Links zu Quelldaten außerhalb des Tools unvermeidlich sind, sollte mit einem Importblatt gearbeitet werden. Dort werden alle Bezüge auf die externen Quelldaten Rechenmodells erfasst. Diese Maßnahme erleichtert die Fehlersuche, Funktionsprüfung und ggf. spätere Anpassungen bei Veränderungen in der Datenquelle.
  • Geben Sie nie konstante Werte in Formeln ein. Verwenden Sie stattdessen immer Eingabefelder für Rechenparameter. Auch die Parameter sollten auf einem separaten Arbeitsblatt erfasst werden. Alle Formeln können dorthin Bezug nehmen. So können bei Bedarf Parameter sicher durchgängig für das ganze Tool geändert werden.
  • Auch hier gilt das KISS-Prinzip: Verwenden Sie kurze Formeln!
    Als Faustregel gilt: jede Formel sollte innerhalb von 30 Sekunden erklärt werden oder mit einem Taschenrechner nachgerechnet werden können.
    Solche Endlosformeln sind zwar technisch machbar, aber kaum nachvollziehbar:
    Beispiel für eine zu lange Formel in einem Rechenmodell - diese sollten vermieden werden
  • Wenn möglich stellen Sie alle Berechnungen des Tools in einer einzigen Datei dar. Tools, die aus mehreren verknüpften Dateien bestehen, sind deutlich anfälliger. Die Verknüpfungen gehen beim Verschieben, Kopieren oder Versenden der Dateien leicht verloren. Das führt nicht nur zu Mehrarbeit, sondern fällt in manchen Fällen nicht einmal auf.

Ein letzter Rat

Ich habe den Anwendern aller Rechenmodelle die ich entwickelt habe stets freigiebig Unterstützung angeboten. Erklärungen, Fragen, Problemlösungen – das alles hatte für mich eine sehr hohe Priorität. Das hatte gleich mehrere positive Effekte:

Es sprach sich schnell im Unternehmen herum, dass das Tool „in guten Händen ist“. Für die Anwender wie für die Empfänger der Ergebnisse ist es sehr beruhigend zu wissen, dass sie stets einen fachkundigen und hilfsbereiten Ansprechpartner haben. So konnten Misstrauen und Unmut gar nicht erst aufkommen.

Ich habe durch den ständigen Kontakt zu den Anwendern schnell ein Gefühl dafür bekommen, was an den Tools gut funktionierte und was nicht. Ich erfuhr schnell, was die Anwender wirklich benötigten. So konnte mit ein paar Updates die Nutzerfreundlichkeit und Flexibilität deutlich verbessern.

Mit all diesen Maßnahmen hatten meine Rechenmodelle und ich stets unternehmensweit einen guten Ruf. Die Tools mussten nie als Sündenbock für schlechte Ergebnisse und Planabweichungen herhalten. Selbst die interne Revision und externe Prüfer waren stets zufrieden.

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus unserem Buch

 

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In diesem Buch finden Sie noch 19 weitere Best Practices zu den Themengebieten

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Mehr Beiträge von uns zur Arbeit mit Excel-Tools und anderen selbst erstellten Rechenmodellen:

Excel-Tools in der strategischen Planung – mit Vorsicht zu genießen

Die Geschichte von dem kleinen Excel-Tool das sein Glück fand und dann doch unterging

 

[1] Im Folgenden werde ich der Einfachheit halber meist von dem weit verbreiteten „Excel“ sprechen.
Excel ist eine eingetragene Marken der Microsoft Corporation

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