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Utility 4.0 – Kunden wollen keinen Strom, sie wollen Dinge tun können

Veröffentlicht am 08. Februar 2016
Geschrieben von Oliver. D. Doleski

Die Energiewirtschaft durchläuft heute den größten Veränderungsprozess seit der Elektrifizierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Traditionelle Geschäftsmodelle werden angesichts von Digitalisierung und Dezentralisierung zusehends hinfällig. Damit nicht genug.

Auch die Erwartungshaltung der Kunden gegenüber „ihrem“ Versorger wächst merklich. Kaum ein Verbraucher interessiert sich ernsthaft für Strom. Vielmehr erwarten Kunden innovative Lösungen rund um die zeitgemäße Energieversorgung sowie exzellenten Service. Herausforderungen, die für Stadtwerke und Co alles in allem ohne erfolgreiche digitale Transformation kaum zu bewältigen sind.

Die traditionelle Energieversorgung befindet sich in einer Zäsur. Man muss kein Kenner der Energiebranche sein, um zu erkennen, dass angestammte Geschäftsmodelle der Energiewirtschaft spätestens seit der Energiewende des Jahres 2011 in ihrer Existenz bedroht sind. Beinahe täglich erfahren wir aus den Medien, dass Margendruck, Dezentralisierung und digitale Transformation mehr und mehr den Energiesektor dominieren. Die Zeiten geschützter Gebietsmonopole als regionale Versorgungsbiotope, in denen zwangsloyale Letztverbraucher den Energieunternehmen jahrzehntelang stabile Erträge bescherten, sind unwiderruflich vorbei.

Energieversorgungsunternehmen verändern ihr Gesicht

Bei zahlreichen Energiekonzernen, Regionalversorgern und Stadtwerken wächst angesichts veränderter Rahmenbedingungen die Überzeugung, dass sie ohne einen umfassenden Veränderungs- oder Transformationsprozess im Versorgungmarkt der Zukunft kaum bestehen können. Konkret setzt aufseiten dieser vormals monopolistisch strukturierten Versorgungsunternehmen – für die noch vor Jahren echter Wettbewerb nahezu unbekannt war – ein Umdenken in Richtung verstärkter Dienstleistungs- und Kundenorientierung ein. Immer mehr Versorger entdecken den Letztverbraucher als Kunden auf Augenhöhe, dem sie innovative Versorgungsprodukte samt Zusatznutzen anbieten können. Parallel schwindet die Bedeutung der traditionellen reinen Energieverteilung, also der klassische Verkauf von Kilowattstunden. Augenscheinlich wird das Erscheinungsbild der Energiebranche in Zukunft zunehmend von Akteuren mit innovativen Dienstleistungsangeboten geprägt: den Utility 4.0.

Die Energiewirtschaft hat seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Wesentlichen drei Hauptentwicklungsstufen durchlaufen und steht mittlerweile am Beginn ihrer bislang letzten, vierten Phase. Alles begann zunächst mit Energieverteilungsunternehmen, den Utilities 1.0, die via Kabel Strom über weite Strecken zu deren Abnehmern transportierten. Mit der in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts einsetzenden Liberalisierung und Deregulierung begann eine neue, zweite Epoche. Während im entstehenden liberalisierten Markt sich die Letztverbraucher ihren Versorger frei auswählen konnten und so von reinen Abnehmern zu mündigen Kunden mutierten, erfolgte auf der Anbieterseite die ordnungspolitisch geforderte Trennung von Netzbewirtschaftung und Energievertrieb.

An die Stelle der ursprünglichen Energieverteilungsunternehmen traten Energieversorgungsunternehmen (EVU) oder Utilities 2.0. Seit etwa 2011 zeichnete sich die Tendenz ab, dass diese EVU nicht mehr ausschließlich Energie verkaufen, sondern als Energiedienstleistungsunternehmen (EDU) oder Utilities 3.0 umfassende Services und erweiterte Produkte ihren Kunden anbieten. Inzwischen stehen diese EDU am Beginn der digitalen Transformation, bei der Energiemarkt und Informationstechnologie miteinander verschmelzen. Perspektivisch entstehen dabei digitale Energiedienstleistungsunternehmen (eEDU) oder Utilities 4.0, deren Leistungsangebote vorzugsweise vernetzt, flexibel, digital und dienstleistungsorientiert sein werden.

 

Utility 4.0 - Transformation vom Energieverteiler zum digitalen Energiedienstleister
Utility 4.0 - Transformation zum digitalen Energiedienstleister

Herausforderungen im Energiesystem der Zukunft

Man muss kein Prophet sein um zu dem Schluss zu gelangen, dass auf absehbare Zeit nur diejenigen EVU prosperieren oder gar überleben werden, denen der Übergang von der traditionellen zur digitalen Energieversorgung gelingt. Insofern sind Versorger gut beraten, den Prozess der digitalen Transformation aktiv voranzutreiben und infolgedessen ihre Energieangebote mit innovativen Lösungen der Informationstechnologie zu verschmelzen. Kurz gesagt, bedarf es einer Transformation heutiger Energieversorgungsunternehmen in Richtung digitaler Energiedienstleistungsunternehmen oder Utilities 4.0.

Wenn also Digitalisierung und Dezentralisierung heute ganz oben auf der Tagesordnung von Stadtwerken und Co. stehen, drängt sich für den Praktiker die Frage auf, wie sich Versorger auf diese Rahmenbedingungen einstellen können. Mit anderen Worten, welche wesentlichen Herausforderungen gehen aufseiten innovativer Versorgungsunternehmen mit einer umfassenden datentechnischen Vernetzung entlang der energiewirtschaftlichen Wertschöpfung einher?

Zunächst müssen Utilities 4.0 den digitalen Wandel mit dem ihm innewohnenden Komplexitätsanstieg organisatorisch verkraften. Besonderes Augenmerk ist in diesem Kontext auf die Bewältigung des deutlich zunehmenden Datenvolumens, also der wirtschaftlichen Informationsverarbeitung in Echtzeit, zu legen. Gleichzeitig erwarten zunehmend souveräner agierende Kunden ein spürbar verbessertes Dienstleistungsangebot. Schließlich wollen Kunden keinen Strom kaufen, sie wollen Dinge tun können. Demnach erwarten sie vor allem innovative Lösungen rund um die zeitgemäße, nachhaltige Energieversorgung sowie exzellenten Service.

Der Kunde steht im Fokus

Nur wenn es der Versorgungswirtschaft gelingt, den Prozess der digitalen Transformation konsequent zu Ende zu führen, können Energieversorgungsunternehmen ihren Privat- und Geschäftskunden ein adäquates Leistungsangebot offerieren und infolgedessen die Herausforderungen der Zukunft bewältigen. Damit steht unmittelbar die Frage nach aussichtsreichen Betätigungs- oder Geschäftsfeldern für Utility 4.0 im Raum.

Das Leistungsangebot aller Akteure der Energiewirtschaft muss vorzugsweise Antworten auf das Phänomen der fortschreitenden Erosion des klassischen Versorgungsgeschäfts liefern und zugleich heutigen Kundenanforderungen entsprechen. Erfolgversprechend erscheint hier eine innovative Kombination von Services aus konsequenter Kundenorientierung, gelebter Dienstleistungsmentalität, glaubhafter Gemeinwohlorientierung und klarem Technologiefokus (Erfolgsfaktoren).

Aus heutiger Sicht bieten sich als geeignete Betätigungsfelder digitaler Energiedienstleistungsunternehmen Leistungen in den Bereichen Energiedienstleistungen, Dezentralität und Infrastruktur an. Hier eröffnet beispielsweise der sich zurzeit etablierende Smart Market zukünftigen Utility 4.0 ein außergewöhnlich breites Betätigungsfeld. So können auf diesem Markt digitale Energiedienstleistungsunternehmen Strommengen intelligent handeln und mittels digitaler Services die mithin erheblichen Schwankungen von Angebot und Nachfrage im Elektrizitätssystem zum Ausgleich bringen.

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Der Autor Oliver D. Doleski 

Oliver D. Doleski, Unternehmensberater mit Schwerpunkten in den Bereichen Unternehmensführung, Prozessmanagement und Geschäftsmodellentwicklung.
Oliver D. Doleski, Unternehmensberater mit Schwerpunkten in den
Bereichen Unternehmensführung, Prozessmanagement und
Geschäftsmodellentwicklung.
Bild: © A. Burkert

Oliver D. Doleski ist branchenübergreifend agierender Unternehmensberater in den Bereichen Unternehmensführung und Prozessmanagement. Nach verschiedenen leitenden Funktionen, unter anderem beim deutschen Weltmarktführer der Halbleiterindustrie, widmet er sich allgemein dem zukunftsträchtigen Thema der digitalen Transformation und in der Energiewirtschaft intensiv dem Thema Smart Market. In diesem Zusammenhang liegt sein Forschungsschwerpunkt im Bereich der Geschäftsmodellentwicklung.

Das  Buch

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