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Der Mythos vom Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit: Was hat es mit Work-Life-Balance auf sich?

Veröffentlicht am 27. Juli 2017
Geschrieben von Karoline Weber

Der Mythos vom Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit: Was hat es mit Work-Life-Balance auf sich?

Wie würden Sie die Frage beantworten? Normalerweise wird das Schlagwort Work-Life-Balance recht einseitig verstanden: Es ist ein Angriff auf die oft viel zu langen Arbeitszeiten, die kaum Raum für Familie, Freunde und Hobbys lassen. 

Davon sind im OECD-Raum etwa 17 % der Männer und 8 % der Frauen betroffen. Insbesondere Familien leiden darunter. Aber ist es wirklich so einfach? Ist mit kürzeren Arbeitszeiten und mehr Freiräumen wirklich schon die Balance zwischen Beruf und Privatleben hergestellt?

35-Stunden-Woche ist keine Lösung

Wie kompliziert der Sachverhalt wirklich ist, wird erst dann deutlich, wenn Menschen im Beruf Erfüllung finden. Wer seinen Beruf liebt und persönliche Ziele vor Augen hat, wird mit einer Reduktion der Arbeitszeit zugunsten von Freizeit und Familie nicht zufrieden sein. Wer seine Freunde und Sozialkontakte am Arbeitsplatz hat, wird ebenfalls kaum die Arbeitszeit reduzieren wollen. Und schließlich gibt es auch Menschen, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben, darin völlig aufgehen und sich für kaum etwas anderes interessieren. Was ist mit diesen Menschen? Könnten sie fernab vom Arbeitsalltag Erfüllung finden? Viele Selbständige definieren heute für sich die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit völlig neu und sehen darin auch einen wesentlichen Vorteil ihrer Freizeit. (Mehr dazu in Der Nach-dem-Urlaub-Blues bei Angestellten und Unternehmern und Ist das noch Arbeit oder schon Urlaub?)

Es gilt also, für völlig verschiedene Lebensentwürfe eine gemeinsame Formel zu finden, die auf Leistungsbereitschaft, Motivation und persönliches Wohlbefinden hinausläuft. Denn nur wer beruflich Ziele sieht und darauf hinarbeitet, ist ausgeglichen und bringt gute Leistung im Beruf. Pausenzeiten, Auszeiten und Phasen der Orientierung sind also wichtig. Das haben inzwischen Arbeitgeber und Manager ebenfalls erkannt. Im Mittelpunkt der Diskussion um die Work-Life-Balance steht nicht mehr nur die kürzest mögliche Arbeitszeit, sondern eine sinnvolle Verzahnung von Privatleben und Arbeitsleben.

Gemeinsam sind wir stark!

Die meisten Firmen haben sich auf die veränderten Anforderungen einer zeitgenössischen Karriere eingestellt und bieten einiges, um ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gesund, ausgeglichen und motiviert zu halten. Die üblichen Maßnahmen sind

  • flexible Arbeitszeiten und Gleitzeit
  • Urlaubszeiten, die nicht nur den Betrieb am Laufen halten, sondern auch Ferienzeiten von Schulen und Kindergärten berücksichtigen
  • Die Möglichkeit, aus dem Homeoffice zu arbeiten
  • firmeninterne Fortbildungen und Weiterbildungen in Zusammenarbeit zwischen Personalabteilung, Management und Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen entwickelte Lebensläufe und Karrieren

Die ersten vier Punkte sind heutzutage schon fast selbstverständlich. Es ist der letzte Punkt, der manchmal wirklich schwer umzusetzen ist. Der Gedanke dahinter: Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wollen ihre Arbeitszeit nicht damit verbringen, für einen bestimmten Geldbetrag Arbeit zu verrichten. Sie wollen sich selbst entwickeln, neue Erfahrungen sammeln und das in Zusammenarbeit mit den Unternehmen tun. Es ist eine Win-Win-Situation, die am Ende dieses Gedankengangs steht: Unternehmen und Belegschaft entwickeln sich gemeinsam weiter, haben die gleichen Ziele und unterstützen sich gegenseitig. Der Arbeitsplatz wird zum Lebensraum.

Dieses Konzept läuft dem zuwider, was Karl Marx mit der entfremdeten Arbeit einst meinte. Grob zusammengefasst: Er ging davon aus, dass der Mensch sich im Kapitalismus immer weniger mit der entrichteten Arbeit identifizieren könne. Durch die nur auf Gewinnmaximierung ausgerichtete Unternehmensführung und allgemeine Gesellschaftsstruktur würden die einzelnen Prozesse immer weiter in kleinste Arbeitsschritte aufgespalten, so dass der Sinn der Arbeit dem einzelnen Menschen gar nicht mehr bewusst sein könnte. Damit können sich Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht mehr mit der verrichteten Arbeit identifizieren und würden geistig verarmen, abstumpfen und eine immer geringere Lebensqualität empfinden, was sich auf die Leistungsbereitschaft, die Gesundheit und am Ende tatsächlich die Arbeitsleistung auswirken würde.

Die vorausgesagten Entwicklungen treffen tatsächlich in einigen Bereichen zu. Menschen, die ihre Arbeit nur für den wie auch immer ausfallenden Stunden- oder Monatslohn entrichten und sich nicht weiter mit dem beschäftigenden Unternehmen oder der Branche identifizieren können, bringen dauerhaft schlechtere Leistungen, sind öfter krank, schlafen schlecht, entwickeln psychische Leiden.

Kürzere Arbeitstage versus Vier-Tage-Woche versus mehr Urlaubstage

Es gibt nicht das eine Modell, das allen Erfolg verspricht. Denn so individuell die Menschen sind, so verschieden sind auch die Lebensentwürfe. Es gibt Menschen, die sich in ein Projekt verbeißen und nicht ruhen können und wollen, bevor es abgeschlossen ist. Diese Menschen bringen die beste Leistung, wenn sie einfach "ihr Ding" durchziehen können und erst danach zu Freizeit verdammt werden. Andere Menschen brauchen ihre täglichen Auszeiten, die dafür kürzer ausfallen können. Wieder andere Menschen wollen gar keine klare Trennung zwischen Arbeitsleben und Privatleben, sondern treffen sich abends mit Kollegen und Kolleginnen zum Sport oder zur Freizeit. Sie finden im Beruf ihre Erfüllung und haben meist auch kein Problem damit, wenn sie am Wochenende mal eben schnell zwischendurch berufliche E-Mails beantworten.

Allerdings ist wichtig, dass bei alledem Freiwilligkeit herrscht. Was dem einen gut tut, ist für den anderen Gift. Aus dem obigen Absatz abzuleiten, dass es Angestellten nicht schadet, rund um die Uhr und auch am Wochenende erreichbar zu sein, wäre falsch. Denn wem die Integration von Beruf und Alltag nicht liegt, der leidet sehr stark unter dem permanenten Bereitschaftsdienst und kann gar nicht abschalten. Es gilt zu respektieren, dass manche Menschen klar trennen müssen zwischen Beruf und Privatleben, während andere das nicht brauchen.

Gute Balance ist nicht nur individuell, sondern gut für das allgemeine Wohlbefinden

Die Balance hat zur Folge, dass nicht nur Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, sondern auch Investoren und Investorinnen, Kundschaft und das Management selbst profitieren. Ein Unternehmen, dass die individuellen Lebensentwürfe der einzelnen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen berücksichtigt und nicht nur Gleitzeit und Homeoffice anbietet, sondern auch Sabbaticals ermöglicht, im Einzelgespräch sinnvolle Entwicklungen von Kenntnissen und Fähigkeiten erforscht und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auch ermöglicht, ist für Arbeitnehmer/-innen attraktiv. Die Belegschaft kann unter Umständen lang gehalten werden, wodurch stabile und zuverlässige Leistungen garantiert werden, was das Unternehmen wiederum für Kundschaft und Investoren interessant macht.

Ausgleich auf ganzer Linie

Die Gestaltung der beruflichen Auszeiten und der Freizeit fällt genauso unterschiedlich aus wie die individuelle Arbeitsbiographie. Menschen, die täglich im Beruf viel Adrenalin haben, können sich bei einem ruhigen Feierabend, gemütlichen Wochenenden und erlebnisarmen Urlauben am ehesten erholen. Die Balance muss also auch in dieser Hinsicht stimmen. Wer beruflich eher wenig Aufregung erlebt, wird dagegen von einem aufregenden Privatleben profitieren.

Das lässt sich auch auf die Art der Freizeitaktivitäten beziehen. Sitzend tätige Menschen treiben in ihrer Freizeit eher Sport, verbringen den Feierabend in der Kletter- oder Boulderhalle oder gehen täglich vor und nach der Arbeit joggen. Körperlich arbeitende Menschen bevorzugen dagegen gelegentliche Kinobesuche, Fernsehabende und den Feierabend mit einem guten Buch oder Hörbuch. Die Balance muss auf ganzer Linie stimmen, auch hinsichtlich körperlicher und geistiger Anstrengung. Denn zu einem gesunden, ausgeglichenen Geist gehört ein ausgelasteter, gesunder Körper. Ob die Freizeit alleine, mit Freunden, mit der Familie oder mit Kindern verbracht wird, hängt auch wieder damit zusammen, wie viel Trubel und Menschenkontakt der berufliche Alltag bietet.

Wer sich weitere Gedanken zum Thema Work-Life-Balance machen will, sollte sich nicht zuletzt mit den zeitgenössischen Philosophen und deren Veröffentlichungen beschäftigen. Richard David Precht beispielsweise thematisiert in seinen Schriften und bei Interviews immer wieder die Verzahnung von Erwerbstätigkeit und individuellem Lebensweg. Aber auch Thomas Vasek hat sich damit beschäftigt und kommt zu ganz eigenen Schlüssen.

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Verwendete Quellen:

https://www.perwiss.de/thema-work-life-balance.html
http://www.oecdbetterlifeindex.org/de/topics/work-life-balance-de/
https://www.business-wissen.de/hb/work-life-balance/
http://www.spiegel.de/karriere/adidas-bertelsmann-kamps-ceos-und-ihre-hobbys-a-1151221.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Entfremdete_Arbeit
https://www.youtube.com/watch?v=p5pIovnAW6A
http://work-life-bullshit.de,  Work-Life-Bullshit als Buch

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